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Warum der March for Science die Wissenschaft positiv erschüttert hat

Der March for Science am 22. April 2017 hat der Wissenschaft in Deutschland viel positive Aufmerksamkeit beschert.  Gleichzeitig wächst der Druck: Die Kommunikation nach außen und die Haltung nach innen erscheint Kritikern reformbedürftiger denn je. Andererseits erscheint das Wissenschaftssystem dieses Mal auch bereit dazu. Das verdient breite Unterstützung. Und eine Tagung am 25. und 26. Oktober 2017 von VolkswagenStiftung, ZEIT, Leopoldina und Robert Bosch Stiftung

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Ich glaube, so viele wohlmeinende Schlagzeilen hat die deutsche Wissenschafts-Community seit Ewigkeiten nicht mehr gehabt wie am 22. April 2017 – dem Tag des „March for Science“. An gut zwei Dutzend Standorten sollen 37.000 Menschen auf den Beinen gewesen sein. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist das wenig. Doch angesichts bürgerlicher Behäbigkeit, die sich ohnehin kaum für oder gegen irgendetwas mobilisieren lässt, war das ganz beachtlich.

Gut vier Monate danach sei nun aber die Frage erlaubt: Was hat der March for Science  gebracht?

Guckt man auf die Habenseite, dann kann man wohl konstatieren: Das Personal an Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, zumal in leitenden Funktionen, hat verstanden, dass ein neuer Umgang mit gesellschaftlichen Kräften nun wohl doch unvermeidlich geworden ist, wenn man nicht noch weiter aus der Mitte der Gesellschaft driften will. Dass „die“ Gesellschaft „die“ Wissenschaft in der Herausforderung sieht, ihre Relevanz überzeugend deutlich zu machen und Verantwortung bei der Lösung von Zukunftsfragen zu übernehmen.

Schlagworte wie „Transparenz“ und „Partizipation“, mit denen man sich in Wissenschaftskreisen bislang wenig euphorisch auseinandergesetzt hat (es gibt natürlich auch rühmliche Ausnahmen in der Professorenschaft!), bekommen plötzlich neues Gewicht. Das Volk, aber auch Politiker und Interessenverbände, klopfen zunehmend lauter an das Tor im Elfenbeinturm. Und drinnen fragt man sich: Was tun?  „Wir haben ein dramatisches Vermittlungsproblem“, konstatierte Peter Strohschneider, der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft – und zwar bereits vor dem March for Science, aber bereits unter dem Eindruck weltweiter Wissenschafts- und Experten-Skepsis sowie Fake News.

Was hat der „March for Science“ noch gebracht – außer Selbstzweifeln in der Scientific Community?

Mir scheint, der „March for Science“ hat einen Geist freigesetzt, der sich nicht mehr in die Flasche zurückdrängen lässt. Es scheint, als formierte sich im Innern des Wissenschaftssystems Widerstand gegen die „So-war-es-schon-immer-bei-uns-und-so-bleibt-das-auch“-Mentalität. Deutlich wurde das bei den Kundgebungen am 22. April, wo insbesondere aus dem wissenschaftlichen Mittelbau kecke Töne zu hören waren, die sich mutig gegen die Beharrungskräfte im Apparat aussprachen. Für mich, als Teilnehmer in Berlin, klang das schon richtig politisch.

Weitere Indizien für latente Opposition lieferte mir neulich eine Diskussion, die Manuel Hartung, Ressortleiter Chancen bei der ZEIT, und ich mit 80 Nachwuchswissenschaftler/innen aus der Förderung der VolkswagenStiftung hatten. Unser Thema „Die Krise der Klugen“. So hatte Hartung im Frühjahr 2017 einen ZEIT-Artikel überschrieben, in dem er die Frage formulierte: „Wo bleibt eigentlich der Aufschrei der Wissenschaft“, angesichts verdrehter wissenschaftlicher Tatsachen (Trump), unverhohlener Wissenschaftsfeindlichkeit (Erdogan, Orban) und grassierender Wissenschaftsskepsis (weltweit)?  Hartungs Eindruck: „Die deutschen Professoren fühlen sich von der rasenden Wirklichkeit um sie herum vor allem in ihrer Arbeit gestört.“

Wachsendes Unbehagen vor allem bei Nachwuchswissenschaftlern

Wer nun annimmt, dass der ZEIT-Redakteur wegen seiner Kritik von den anwesenden Wissenschaftler/innen niedergebuht wurde, sah sich widerlegt. Im Gegenteil: Das Gros stellte seine Polemik überhaupt nicht in Frage, sondern brachte eigenes persönliches Unbehagen zum Ausdruck, dass man im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Erwartung einerseits und dem modernisierungsresistenten Wissenschaftsbetrieb andererseits verspüre.

So scheint sich das Wissenschaftssystem ganz, ganz langsam in zwei Lager aufzuspalten die Wandlungswilligen und die Status Quo-Verteidiger. Es gärt. Und ich glaube, dieses Verdienst darf man dem „March for Science“ getrost anrechnen.

Und nun? Mit Blick auf die Kommunikation mit einem breiten Publikum erschallt vielerorts der reflexhafte Ruf nach „neuen Kommunikationskonzepten“. Das klingt dynamisch, verpflichtet zu nichts und vertagt konkrete Schritte auf eine nicht näher befristete Zukunft. Dabei haben die Kommunikationsprofis in den Universitäten, Hochschulen und Forschungsbereichen über die Jahre ein ständig modernisiertes und diversifiziertes Instrumentarium an Kommunikationsmitteln geschaffen, inklusive  Leitlinien für die bestmögliche Handhabung  – auch und gerade mit Blick auf ein differenziertes Laien-Publikum.

Verantwortung für Wissenschaftsvermittlung lässt sich nicht immer delegieren

Wäre es nicht ein guter erster Schritt, wenn sich die Entscheider im Wissenschaftsbetrieb, die jetzt „neue Konzepte“ fordern, erstmal die bereits bewährten von ihren PR- und Kommunikationsabteilungen erklären ließen? Denn ich unterstelle, dass das Wissen um die Wirkungsweisen von Kommunikationsmitteln im wissenschaftlichen Personal nach wie  vor nicht sehr verbreitet ist. Dabei sollte auch das eine Erkenntnis nach dem „March for Science“ sein: Dass man Wissenschaftsvermittlung nicht immer nur an Kommunikationsabteilungen wegdelegieren kann, sofern man als Wissenschaftler bei einem breiten Publikum glaubwürdig erscheinen will. Das eben setzt den vielbeschworenen Dialog auf Augenhöhe voraus.

Verstärktes Engagement bei der Wissenschaftsvermittlung zieht natürlich die  altbekannten Einwände der Wissenschaftler nach sich: Was bringt mir das für meine Karriere? Soll ich neben meiner Lehr-Labor-Arbeit auch noch Volkshochschule machen? Wofür haben wir Kommunikationsfachleute, wenn ich alles selbst machen muss usw.?

Eine allzu vertraute Litanei. Und doch: Seit dem „March for Science“ klingt sie anders. Nicht mehr nach einem kategorischen „Nein“, sondern immer öfter nach einem vorsichtig tastenden  „Wenn…dann…“

Aufbruchsstimmung? Ja, ich glaube, seit dem PUSH-Memorandum 1999 war die Bereitschaft in Wissenschaftskreisen niemals größer, tradierte Standpunkte kritisch zu reflektieren und offen zu sein für neue Impulse. Der Dialog auf Augenhöhe, der zwischen Wissenschaft und breiter Öffentlichkeit immer eher verdruckst und mit viel Anschieben funktioniert hat, könnte langfristig selbstverständlicher werden.

Wie die Öffnung der Wissenschaft besser gelingt und ihr Nutzen für die Lösung gesellschaftlicher Zukunftsfragen sichtbarer werden könnte – dafür gibt es nicht die eine Lösung. Und es sollte auch nicht allein in der Verantwortung der Wissenschaft bleiben, Lösungen zu finden. Politik, Journalismus, gesellschaftliche Interessengruppen – sie alle sind aufgerufen, am Gelingen dieses Projektes mitzuwirken.

Vielleicht braucht es dafür gar nicht viele neue Konzepte, sondern vor allem mehr Schulterschluss?

Einen Anstoß dazu will eine Tagung bieten, die die VolkswagenStiftung in Kooperation mit der Leopoldina, der ZEIT und der Robert Bosch Stiftung am 25. und 26. Okt. 2017 in Hannover anbietet: „Wissenschaft braucht Gesellschaft – Wie geht es weiter nach dem March for Science?.

Welche Erwartungen die Organisatoren, zu denen ich selbst zähle, mit dieser Veranstaltung verbinden, will ich in den nächsten Wochen hin und wieder an dieser Stelle berichten. Und eure Meinung und Wünsche dazu kennenlernen. Schreibt sie in die Kommentarspalte. Ich freue mich darauf, sie zu lesen und in meinen Beiträgen darauf einzugehen.

Hier geht es zum Programm und zur kostenlosen Anmeldung: www.volkswagenstiftung.de/wowk17

Weiterer Veranstaltungshinweis:

„Speak up for Science – eine offene Konferenz für kommunizierende Wissenschaftler“ veranstaltet Wissenschaft im Dialog am 15. und 16. Sept. 2017 in Berlin. Teilnahme kostenlos, Anmeldung erforderlich.

Blogbeiträge zum „March for Science“:

Im Blog „Wissenschaft kommuniziert“ findet sich eine Fülle von Artikeln und Statements über verschiedene Aspekte des „March for Science“

 

Audio: Tierversuche als Thema für Wissenschaftskommunikation

Vor ein paar Wochen durfte ich eine Diskussion beim 9. Forum Wissenschaftskommunikation von Wissenschaft im Dialog in Bielefeld moderieren. Der Sessiontitel: „Gemeinsam sind wir mutig – proaktive Kommunikation schwieriger Themen“; der Fokus: „Tierversuche“.

Wer interessiert ist, findet die Session hier als Audio-Mitschnitt. Einen zusamenfassenden Bericht kann man in der eben fertig gewordenen Ergebnisbroschüre des Forums Wissenschaftskommunikation lesen (hier geht es zum PDF).

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Diskussion über Tierversuche als Thema der Wissenschaftskommunikation; v.l.: Jens Rehländer, Christoph Klimmt, Susanne Diederich, Florian Dehmelt. (Abb. aus der Tagungsbroschüre)

Meine drei Gesprächsgäste waren der Journalistik-Professor Dr. Christoph Klimmt aus Hannover; die Kommunikationsleiterin am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen, Dr. Susanne Diederich; der Neurowissenschaftler und Pro-Test-Mitgründer Dr. Florian Dehmelt aus Tübingen.

 

Links:

Mit der Website „Tierversuche verstehen“ adressiert die Wissenschaft ein breites Publikum: https://www.tierversuche-verstehen.de

„Pro-Test Deutschland e.V.“ ist ein informelles Bündnis von Wissenschaftlern vor allem in Tübingen, die in persönlichen Gesprächen für ein reflektiertes Verständnis in der Öffentlichkeit werben: http://www.pro-test-deutschland.de

 

 

 

Raus aus den Echokammern der Wissenschaftskommunikation!

„Wo bleibt der Aufschrei gegen billigen Populismus?“, fragt Joachim Müller-Jung, Ressortleiter Wissenschaft der FAZ, und kritisiert heftig „die Trägheit der Wissenschaftler und ihrer Institutionen“. „Der Elfenbeinturm steht heute so mächtig da wie zu den Zeiten, als die akademische Autorität unangreifbar schien“, schreibt Müller-Jung. „Die Gelehrten“ blieben in gesellschaftlichen Fragen passiv: „Das Elitäre hat sie selbst in die Isolation getrieben.“

Ist Müller-Jungs Attacke auf den Elfenbeinturm gerechtfertigt? Haben Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation zu lange an der wahlberechtigten Bevölkerung vorbeikommuniziert?  Nun, im Lager der Demokraten und Aufklärer herrscht jedenfalls Alarm in diesen Tagen. Und das ist gut so! Denn nachdem sich ein EU-Mitgliedsland nach dem anderen den rechten Demagogen ergibt, nachdem der Brexit passiert ist und mit Donald Trump in Kürze das bislang völlig Unvorstellbare wahr wird – jetzt endlich artikuliert sich hierzulande Widerstand gegen diese unsägliche, unheimliche Entwicklung.

Wer die Errungenschaften der Demokratie verteidigen will – die Freiheit der Wissenschaft zählt dazu -, muss Farbe bekennen. Und zwar jetzt. Heute! Von daher stimme ich Müller-Jung zu. Wenn die Wissenschaft in Deutschland verhindern will, dass ihr die Grundlagen entzogen werden, wie in Großbritannien nach dem Brexit und demnächst in den USA nach Trump – dann muss jetzt gehandelt werden.

Anders als Müller-Jung sehe ich aber nicht allein „die Wissenschaft“ in der Pflicht, sondern auch Wissenschafts-PR und Wissenschaftsjournalismus. Wenn es wahr ist, dass das Vertrauen der Laien in Wissenschaft an vielen Stellen erodiert (Stichwörter: Klimawandel, Gentechnik, Evolution vs. Kreationismus), dann haben wir alle im System Wissenschaftskommunikation unseren Teil dazu beigetragen.

„Die“ Wissenschaft hat – mit individuellen Ausnahmen – bis heute kein überzeugendes Interesse entwickelt, sich aus eigenem Antrieb mit Problemlösungsvorschlägen in aktuelle gesellschaftliche Debatten einzubringen. Die Lobbyisten im Wissenschaftssystem verwechseln Öffentlichkeitsarbeit immer noch zu häufig mit Akzeptanzbeschaffung, d.h. Drittmittelgeber und politische Entscheider sollen dafür gewonnen werden, neue Forschungstrends zu finanzieren (wogegen im Prinzip nichts einzuwenden ist). Aber es zeugt von Missachtung, wenn die gleichzeitige Aufklärung der gerade in Deutschland ausgeprägt risikoaversen Bevölkerung ausbleibt.

„Die“ Wissenschafts-PR (z.B. Pressestellen) hat gerade in den letzten Jahren qualitativ sehr an Substanz gewonnen. Am Ende aber muss sie sich immer den Vorgaben der Präsidien und Institutsleitungen beugen und deren Ziele verwirklichen. Und oft auch wider besseren Wissens Tage der Offenen Tür und Lange Nächte der Wissenschaft organisieren, obwohl solche Events überhaupt kein Stück dazu beitragen, dem Vertrauen in Wissenschaft bei den (wahlberechtigten) Bürgern aufzuhelfen.

„Der“ Wissenschaftsjournalismus schließlich ist in Sachen Vertrauen, Akzeptanz und Relevanz vergleichbar unter Druck wie die Wissenschaft selbst. Die Inseln im Meer der Medien, wo qualitätsvoller Wissenschaftsjournalismus noch möglich ist. werden kleiner und seltener. Die, die jetzt noch übrig sind, müssen sich die Frage stellen, womit sie ihr Publikum noch erreichen. Wer ohne gesellschaftliche Verantwortung agiert, schielt mit der Boulevardisierung und Sensationalisierung von Wissenschaft auf Einschaltquote und Klicks. Wer aber den aufklärerischen Auftrag von Journalismus ernst nehmen will, agiert ohne Unterstützung der Redaktionsleitungen und gegen die Shitstorms der großen Problemvereinfacher im Netz.

Ich bin überzeugt, dass es einer Koalition aller Akteure im System Wissenschaftskommunikation bedarf, um dem „populistischen Kokolores“ (Müller-Jung) etwas entgegenzusetzen. Gegenseitige Schuldzuweisungen und das Aufrechnen von Fehlern in der Vergangenheit helfen gar nichts. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, aus den Echokammern der Wissenschaftskommunikation herauszutreten und den Dialog mit jenen zaufzunehmen, die beim nächsten Wahlgang auch über die Freiheit von Wissenschaft entscheiden werden. Und dieser Dialog kann sofort anfangen: in den Gesprächen mit unseren Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunden und Verwandten.

Weiterer Beitrag zu diesem Thema:

 

Zensur: Drittmittel-Unternehmen verbietet Helmholtz-Forschungsbericht

Eben kam die neue Ausgabe der Zeitschrift „Wissenschaftsmanagement“ auf meinen Schreibtisch. Druckfrisch zwar, aber mit sage und schreibe fünf Monaten Verspätung! Den Grund dafür finden Leserinnen und Leser der Nr.1/15 auf den Seiten 32-35; diese mussten von der Redaktion komplett unleserlich gemacht werden (Foto). Eine ungenannte Firma, die einem ebenfalls ungenannten Helmholtz-Zentrum Geld für Forschung gespendet hatte, wollte das so. Ein zeitgenössischer Fall von Zensur. Und ein Vorgeschmack auf das, was der Freiheit der Wissenschaft blüht, wenn sie sich von Drittmitteln aus der Wirtschaft abhängig macht.

Gerasterter Artikel im Fachblatt "Wissenschaftsmanagement"

Gerasterter Artikel im Fachblatt „Wissenschaftsmanagement“

„Abgestimmt, geschrieben, gesetzt, korrigiert“, sei der Artikel gewesen, schreibt Chefredakteur Markus Lemmens in seiner Erläuterung des Vorfalls – aber „dann keine Freigabe für den Druck“. Das finanzierende Unternehmen im Ausland verweigerte seine Zustimmung und ließ sich auch nicht von vielen Depeschen aus dem Helmholtz-Zentrum umstimmen. Im Gegenteil: Weil offenbar „juristische Folgen“ angedroht wurden, blieb der Redaktion nichts übrig, als die bereits produzierten Seiten so zu rastern, dass kein Wort mehr lesbar, kein Foto mehr erkennbar ist.

Gut, dass es zu diesem Fall von Zensur gekommen ist. Denn so wird der Scientific Community und ihren Managern schnörkellos vor Augen geführt, wie trügerisch die Finanzierung von Forschung durch Drittmittel aus der Wirtschaft sein kann.

Das betroffene Helmholtz-Institut habe sich bei seinem Finanzier für die Publizierung des Artikels stark gemacht, hebt Chefredakteur Lemmens hervor. Dass man auf taube Ohren stieß, unterstreicht meines Erachtens, wer in solchen sogenannten Partnerschaften die Richtung vorgibt – und ohne zu fackeln mit der juristischen Keule droht, wenn etwas nicht nach den Wünschen des Auftraggebers läuft.

Dass sich ein kleines Fachmagazin wie „Wissenschaftsmanagement“ zähneknirschend dem juristischen Druck beugt, ist nur zu verständlich. Dass die Redaktion den Vorgang aber trotzdem öffentlich macht, ist mutig. So sind wir gezwungen, uns auch mal mit den Schattenseiten der vielgerühmten Koooperation von Hochschule, Forschung & Wirtschaft auseinanderzusetzen.

Wissenschaftler! Welche PR wollt ihr eigentlich?

„Bashing der Wissenschafts-PR“ nennt Markus Lehmkuhl sein Dossier im Meta-Magazin. Moment mal! War nicht eben noch allerorten die Rede vom „Sommer der Wissenschaftskommunikation“ als Metapher für Aufbruch und Neuanfang? Siggener KreisAkademien-Empfehlung („WÖM“) und ein Workshop der VolkswagenStiftung wurden als Impulse wahrgenommen, um im offenen Austausch miteinander das Verhältnis und die Interaktion von Wissenschaft, von PR und Wissenschaftsjournalismus auf ein neues, qualitativ besseres Fundament zu stellen.

Doch ein Spiegel Online-Gespräch über „Wissenschaft in den Medien“ machte im Februar 2015 deutlich, wie tief die Gräben nach wie vor sind, die die Wissenschafts-PR von ihren Bezugsgruppen trennt. Tragischerweise sogar von Teilen der Wissenschaft selbst. Denn wie sonst lässt sich erklären, dass der prominente Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer im erwähnten Gespräch die Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD) als „reine Geldverschwendung“ bezeichnet und den Organisatoren von Wissenschaftsjahren und Wissenschaftsstädten empfiehlt, sie „sollten sich schämen“.

Fischer ist Medienprofi genug, um zu wissen, wie man mit Zuspitzungen Aufmerksamkeit erzeugt. Und gewiss zielt seine Schelte nicht allein auf WiD. Dahinter steht eine diffuse Unzufriedenheit mit der Wissenschafts-PR im Allgemeinen. Auch Markus Lehmkuhl geht in seinem Dossier mit WiD hart ins Gericht. Die Initiative habe nichts zu einer „wissenschaftlichen Rationalisierung gesellschaftlich relevanter Debatten“ beigetragen. Er erinnert daran, dass die großen Wissenschaftsorganisationen, die bis heute übrigens auch die Grundfinanziers von WiD sind, sich 1999 in einem Memorandum verpflichtet hätten, einen „permanenten Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu etablieren“. Lehmkuhls Fazit heute: „Was als durchaus ernsthafter Versuch einer dialogorientierten Wissenschaftskommunikation gestartet ist, ist praktisch zu einer Art Imagekampagne geworden, bei der sehr zweifelhaft ist, ob sie das Wesen der Wissenschaft nicht eher verdeckt als es offenbar werden zu lassen.“

Anders als Fischer im Spiegel Online-Gespräch fokussiert Lehmkuhl seine Kritik an der Wissenschafts-PR aber nicht auf WiD als gern gegriffenes Fallbeispiel. Für ihn trägt vielmehr „die“ Wissenschaft selbst eine erhebliche Mitverantwortung an den Fehlentwicklungen, die sie nun öffentlichkeitswirksam kritisiert. Als Belege zieht Lehmkuhl in seinem Dossier Studien heran, die in sogenannten High Impact-Journals erschienen sind und nachweisen, wie auch Wissenschaftler sich bei der Kommunikation ihrer Forschungsergebnisse, bisweilen sogar schon bei der Festlegung auf Vorhaben, an Vermarktungs- und PR-Strategien orientieren, und welchen Anteil Wissenschaftler am Zustandekommen von Pressemitteilungen haben, denen sie man später vorwerfen, sie würden Forschungsbefunde übertreiben, sensationalisieren, verzerren.

Diese Studien sind bekannt, die Befunde nicht neu. Aber neu ist, wenn man Lehmkuhl folgt, die kritische Selbstreflexion dieser Phänomene innerhalb des Wissenschaftssystems, auch in den sogenannten „harten“ Naturwissenschaften. Mögen Kommunikations- und Medienwissenschaftler sich in der Vergangenheit noch so abgemüht haben, mit kritischen Studien auf das Publikationsverhalten ihrer Kollegen in anderen Disziplinen pädagogisch einzuwirken – es hat kaum interessiert. Das scheint sich jetzt zu ändern.

Das überzeugendste Signal dafür sind die Empfehlungen der Akademien („WÖM“), hinter der eine heterogene Gruppe angesehener Experten und – auch technik- und naturwissenschaftlich fokussierter – Institutionen steht, deren zentraler Appell, in Lehmkuhls Worten, lautet: „Hört auf, PR zu machen! Denn sie trägt zum Vertrauensverlust der Wissenschaft bei.“

Für die Wissenschaft ist es, nach Lehmkuhl, höchste Zeit, nicht nur die „eigene irregeleitete PR-Maschinerie“ in den Griff zu kriegen, sondern auch ihren eigenen, immer wieder formulierten Aufklärungsanspruch einzulösen. Zu lange habe sich Forschungskommunikation unter dem Publikationsdruck am Neuigkeitswert und an der Spektakularität orientiert: „Stattdessen muss sie sich darauf konzentrieren, gesellschaftlich relevante wissenschaftliche Informationen von irrelevanten zu unterscheiden und diese relevanten Informationen sachadäquat und für Laien verständlich aufzubereiten.“

Wie Lehmkuhl seine Argumentation in vier Kapiteln ausbreitet, lohnt auf jeden Fall die Lektüre. Am Ende wird klar, dass das „Bashing der Wissenschafts-PR“, dem zumindest ein Teil der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht abgeneigt ist, ein Verdrängungsreflex ist. Denn so mogelt sich die Wissenschaft aus der Mitverantwortung für vieles, was sie an ihren Pressestellen und Eventmanagern kritisiert.

Dass die PR letztlich auch nur ein Abbild der Kultur der Wissenschaft selbst ist, beschreibt Markus Weißkopf, Geschäftsführer der gescholtenen Institution WiD, in einem Kommentar zu Lehmkuhls Dossier sehr anschaulich: „Es gibt Professoren, die morgens eine etwas übertrieben formulierte Pressemitteilung an ihre Pressestelle senden und sich am Nachmittag über die Medialisierung beschweren. Einige wünschen sich eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit, ähnlich wie in einem Unternehmen, andere eine, die sämtliche Imagekommunikation beiseitelässt.“

Gut 15 Jahre nach PUSH lässt sich konstatieren, dass die Wissenschaft die seinerzeit formulierten Ziele (z.B. Akzeptanzsicherung für die Wissenschaft und Aufklärung der Öffentlichkeit über Wissenschaft mittels Beteiligung an gesellschaftlichen Diskursen) offenbar weder mit dem nötigen Interesse, noch mit der nötigen Verantwortung verfolgt und beaufsichtigt hat. Stattdessen wurde das bis heute wenig geliebte Thema „Öffentlichkeitsarbeit“ an Pressestellen, Eventabteilungen und an organisationsübergreifende Institutionen delegiert.

Die Wissenschaft macht es sich deshalb einfach, wenn sie sich auf Distanz zu den PR-Profis begibt. Stattdessen ist mehr denn je der Dialog wünschenswert. Wissenschaft und PR müssen sich auf gemeinsame Ziele verständigen. Das wird nicht mit globalen Regelwerken funktionieren (wobei ein PUSH-II durchaus als Referenz nützlich wäre), sondern muss wohl individuell ausgehandelt werden. Dass auch die Pressestellen mit dem Status Quo nicht zufrieden sind, belegen Aktivitäten wie der Siggener Kreis, über den ich hier schon geschrieben habe, der aber auf die Kritiker in der Wissenschaft bislang offenbar keinen Eindruck macht.

Dass der eingangs zitierte „Sommer der Wissenschaftskommunikation“ schon wieder vorbei ist, glaube ich nicht. Nach wie vor ist die zentrale Aufgabe nicht gelöst, der sich alle Akteure von Wissenschaftskommunikation stellen müssen. Es wird darum gehen, sich im Dialog der Bezugsgruppen gegenseitig zu versichern, welche Form der Kommunikation man sich wünscht, um welche Ziele zu erreichen.

Die VolkswagenStiftung bereitet einen Workshop vor (#wowk15), die sich am 5. und 6. Oktober 2015 diesem Thema stellen soll. Der Fokus wird auf dem Kommunikationsverhalten der Wissenschaft liegen – und ihren Erwartungen an die Interaktion mit anderen Bezugsgruppen.

Ein „Bashing“ wird es dort für keine Akteursgruppe geben. Stattdessen einen vorbehaltlosen Dialog. Hoffentlich. Denn ohne den kommen wir alle nicht weiter.

Mögen Wissenschaftler keine Wissenschafts-PR?

Die Wissenschafts-PR der Universitäten
und Forschungseinrichtungen leidet unter einem Mangel an Wertschätzung – ausgerechnet auf Seiten der Wissenschaft. Das musste ich schon einmal
an dieser Stelle konstatieren :
Im Juni 2014 waren die Empfehlungen zur Wissenschaftskommunikation von Acatech,
Leopoldin
a und BBAW („WÖM“) der Anlass.  Acht
Professoren und zwei Journalisten – darunter die einzige Frau – hatte man in
die Arbeitsgruppe berufen. Aber nicht die von Amtswegen prädestinierten
Expertinnen und Experten für die Vermittlung von Wissenschaft an Medien und
Öffentlichkeit, also Vertreter/innen der Presse- und Kommunikationsabteilungen.
„Die hatten wir nicht auf dem Schirm“, erklärte der Sprecher der AG, Professor
Peter Weingar
t, bei der Vorstellung des Berichts und wollte das gewiss als
Entschuldigung verstanden wissen.

Nun aber hat die Leopoldina nachgelegt und nach meinem
Eindruck nochmal unterstrichen, dass man auf die Beiträge aus den Reihen der
Wissenschaftssprecher gut verzichten kann. 
Wieder einmal geht es um die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte an
Medien, Öffentlichkeit und Politik. Und wieder einmal klären Forscher und
Journalisten unter Ausklammerung der Wissenschafts-PR die kommunikativen
Voraussetzungen für diesen Wissenstransfer untereinander.

Worum geht es in der Studie „Die synthetische Biologie in der öffentlichen Meinungsbildung“?

Nachdem die Mehrheit im Wissenschaftsbetrieb (58 Prozent) das
Scheitern der Grünen Gentechnik in Deutschland offenbar vor allem auf mangelhafte
Kommunikation zurückführt, möchte die Leopoldina bei der PR für das Thema
Synthetische Biologie vieles besser machen. Ihr Ziel sei es,

vertrauenswürdige Informationen und
transparente Bewertungen über absehbare Chancen, Herausforderungen und Risiken
der Synthetischen Biologie in die öffentliche Meinungsbildung und demokratische
Entscheidungsfindung einzubringen.“

Um herauszufinden, mit
welcher Kommunikationsstrategie dieses Ziel erreicht werden kann, hat sich die
Leopoldina mit dem Institut für Demoskopie Allensbach zusammengetan. Gemeinsam
wollte man herausfinden, welche Einstellung die Deutschen zu innovativen
Technologien haben, wie gut Forscher und Journalisten bei der Vermittlung von
Wissenschaft kooperieren, wie eine positive Akzeptanz für die Synthetische
Biologie geschaffen werden kann – vor dem Hintergrund, dass, laut Studie, immerhin
40 Prozent der Bevölkerung dafür plädieren, auf Forschungsprojekte zu
verzichten, wenn diese auch nur mit kleinen Risiken verbunden sind und weitere 15
Prozent in dieser Hinsicht unentschlossen, also Wackelkandidaten sind.

Soziale Medien spielen in der Wissenschaftskommunikation “kaum eine Rolle”

Die Demoskopen
befragten 106 Forscher, 103 Journalisten sowie 2350 Bürger. Ergänzt wird
die Studie durch 23 Tiefeninterviews mit Wissenschaftlern (die weibliche Form
ist jeweils mitzudenken).

Die etwa 120 Seiten umfassende, Ende Januar 2015 vorgelegte
Auswertung lohnt auf jeden Fall die Lektüre. Empirie im Kontext von wissenschaftskommunikativer
Wirkungsforschung ist hierzulande leider immer noch viel zu rar. Und selbst
wenn man sich nicht explizit für Synthetische Biologie interessiert, enthält
die Studie eine Fülle empirisch belegter Aussagen, die für
Kommunikationsverantwortliche  generell lehrreich
sein dürften.

Die sozialen Medien beispielsweise, deren Bedeutung nach
Meinung vieler Kritiker von den WÖM-Gutachtern so sträflich missachtet wurden, werden
auch von Allensbach und Leopoldina in ihrer Wichtigkeit arg zurückgestutzt. Sie
spielten, so heißt es, in der Wissenschaftskommunikation „offenbar kaum eine
Rolle“: „Diese Wahrnehmung teilen sowohl Wissenschaftler und Journalisten als
auch die Nutzer.“  

Das Fernsehen ist für 73 Prozent der Wissenschaftler das Leitmedium

In der Umfrage stufen nur 21 Prozent der Bürgerinnen und
Bürger das Internet (wohl inkl. sozialer Medien) als glaubwürdige Quelle ein, satte
53 Prozent hingegen das Fernsehen, 45 Prozent votieren für die Glaubwürdigkeit
der Zeitungen. Mehr als andere Mediengattungen, heißt es in der Studie, habe
das Internet „mit Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen“.

Dessen ungeachtet sind aber 73 Prozent der Wissenschaftler
überzeugt, dass das Internet die Chancen für den Dialog mit der Öffentlichkeit
verbessere. Leitmedium bleibt aber auch für sie das Fernsehen: 73 Prozent
glauben, es sei besonders geeignet, um wissenschaftliche Erkenntnis zu
vermitteln. Mit deutlichem Abstand – 47 Prozent – folgen aus Wissenschaftssicht
die Tageszeitungen.

Auch die Relevanz der Hochglanz-Publikationen, die von
Universitäten und Forschungseinrichtungen mit großem Aufwand finanziert werden,
bewertet die Studie ambivalent. Etwa 40 Prozent der Befragten würden ihnen zwar
„hohes Vertrauen“ beimessen. Verglichen mit der Reichweite traditioneller Medien
erreichten sie aber „nur eine sehr kleine Nutzergruppe“. Also viel Aufwand,
aber (zu) wenig Ertrag?

Starkes Votum für ein Mehr an Wissenschaftskommunikation

Von solcher Detailkritik abgesehen, steht die Notwendigkeit
von Wissenschaftskommunikation für die Leopoldina außer Frage. Dazu gibt es
schon in der Einleitung ein imperatives Statement, das keinen
Interpretationsspielraum lässt: „Die Vermittlung ihrer Forschungsinhalte gehört
zu den Aufgaben von Wissenschaftlern und wird insbesondere von Wissenschaftlern
an öffentlich finanzierten Einrichtungen erwartet.“

Pflichtbewusst erachten deshalb auch 86 Prozent der befragten
Wissenschaftler Kommunikation für „wichtig“ oder „sehr wichtig“.  60 Prozent der Forscher und 80 Prozent der
Journalisten reicht das bisher Erreichte sogar nicht aus. Sie „mahnen ein
stärkeres Engagement bei der Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte an.“

An dieser Stelle jedoch fragt man sich: An wessen Adresse
richtet sich die Mahnung? An die Institutsleitungen? An die Wissenschafts-PR?
Oder appellieren die Wissenschaftler an sich selbst? Denn auch wenn letztere
weit überwiegend von der Notwendigkeit der Kommunikation überzeugt sind, so geben
60 Prozent an, dass Öffentlichkeitsarbeit in ihrem Forscheralltag keine große
Rolle spielt – offenbar weil die Verhältnisse sie daran hindern.

Klage über unprofessionelle Pressestellen

Als Hürden
werden genannt: der Zeitmangel, die Konzentration auf Forschung und Lehre, mangelnde
Vorbereitung auf die Kommunikation mit Laien und, jetzt kommt´s, „unzureichende
personelle Ausstattung und Professionalisierung der Pressestellen“.
Sind nach Meinung der Wissenschaftler die Pressestellen also
„unprofessionell“? Und selbst wenn natürlich niemand ein solches Pauschalurteil
unterschreiben würde: Werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der
Öffentlichkeitsarbeit von der praktizierenden Wissenschaft nicht als
Dialogpartner auf Augenhöhe wahrgenommen?

Der Verdacht erhärtet sich, wenn man in den Zitaten aus den
Tiefeninterviews mit Wissenschaftlern liest, es wäre „nicht schlecht, wenn …
verstärkt Kommunikationszentren“ aufgebaut würden (ja, gibt es die nicht
längst: in Form von Pressestellen?). Oder dass man bei Kooperationen mit großen
Institutionen in den USA sehen könne, dass die „wirklich professionelle
Presseabteilungen haben“ (im Gegensatz zu den unprofessionellen in
Deutschland?).

Wo bleibt das breite Bündnis für mehr Qualität in der Wissenschaftskommunikation?

Noch hat die Studie „Die synthetische Biologie in der
Öffentlichkeit“ nach meiner Beobachtung in der Community der Wissenschafts-PR
keine große Aufmerksamkeit gefunden. Sie ist ihr aber zu wünschen, weil sie,
wie gesagt, mit Empirie manche Frage beantwortet, die ich mir längst schon
gestellt habe.

Dass Experten aus den Pressestellen und
Kommunikationsabteilungen sich darin nicht als eigene Fokusgruppe wiederfinden,
ist bedauerlich. Denn wer die Diskussion der letzten Monate verfolgt, weiß zum
Beispiel, dass die im Siggener Kreis zusammengeschlossenen Akteure aus der
Kommunikationsbranche genau jene Themen bereits bearbeiten, die zuerst „WÖM“
und nun auch die befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dieser
Studie anprangern, nämlich die Suche nach Qualitätsstandards, die verhindern
sollen, was in der Studie unter der Überschrift „Fehler der Wissenschaftskommunikation“
gelistet wird: etwa die Neigung, Chancen übertrieben zu betonen, Risiken aber zu
verschweigen; ungesicherte Erkenntnis und falsche Informationen zu verbreiten;
Informationen unreflektiert weiterzugeben und keine eigene Haltung
darzustellen. Schließlich:  „Die Menschen
nicht ernst nehmen, Arroganz, Überheblichkeit bei der Präsentation“.

Fast alle Wissenschaftler halten sich für Kommunikatoren – die Journalisten widersprechen. Entschieden.

Dass sie die Laien nicht ernst nehmen, würde wohl kaum ein
Wissenschaftler zugeben. Denn in der Befragung gaben 86 Prozent an, es falle
ihnen leicht, ihre eigenen Forschungsergebnisse einem breiten Publikum zu
erklären. Das überrascht mich sehr. Ähnlich überwältigend fällt das Votum bei
den Journalisten aus – allerdings mit einer genau entgegengesetzten Aussage: 82
Prozent von ihnen meinen nämlich, es falle Wissenschaftlern schwer, mit Laien
zu kommunizieren.   

Liebe Wissenschaftler, Ihre Pressestellen werden sich freuen, Sie in Sachen Wissenschaftskommunikation zu schulen. Und sie stehen bereit für den konstruktiven Dialog. Aber wenn, dann bitte nur auf Augenhöhe!

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Im Nachhinein muss ich zugeben: Es war vielleicht nicht die beste Idee, den Vortrag von Frank Marcinkowski und Matthias Kohring an den Anfang unserer Tagung zu stellen. Denn was die beiden Kommunikationswissenschaftler den Gästen des Workshops „Inhalt statt Image? Warum wir eine bessere Wissenschaftskommunikation brauchen“ (#wowk14; http://www.volkswagenstiftung.de/index.php?id=2644) um die Ohren hauten, löste bei etlichen Gästen der VolkswagenStiftung Schnappatmung aus. Das ging deutlich über den kalkulierten Theaterdonner hinaus.

Wissenschafts-PR, so Kohring und Marcinkowski, bedrohe „die Autonomie und die Funktionsweise von Wissenschaft“; es gäbe für sie „keine funktionale Begründung“, denn: „Wissenschaft benötigt keine Öffentlichkeit, um zu funktionieren.“ (http://www.volkswagenstiftung.de/wowk14/marcinkowski_kohring.html) Joachim Müller-Jung, Ressortchef Natur und Wissenschaft der FAZ, sprang den abgewatschten PR-Menschen letzte Woche mit Trost zur Seite und bewertete das Attest der beiden Wissenschaftler als „Ohrfeige für alle verdienten Kommunikatoren, die ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrzunehmen und dafür einiges zu opfern bereit sind.“ (http://blogs.faz.net/planckton/2014/10/15/auf-welchem-karren-kommunizieren-sie-1103)

Andererseits hat auch der erfahrene Wissenschaftsjournalist in den letzten Jahren „fast schon beängstigende Verschiebungen zugunsten der PR-Branche“ wahrgenommen. Während Wissenschaftsredaktionen schrumpften, würden Museen und Universitätspressestellen genug Personal vorhalten, um ihre „partikularen Eigeninteressen massiv“ zu vertreten. Was genau Joachim Müller-Jungs Unbehagen auslöst, bleibt offen. Es dürfte der klassische Generalverdacht sein, die PR-Abteilungen beeinflussten mit strategischer Kommunikation wissenschaftspolitische Entscheidungen.

Dass in der Wissenschaftskommunikation der informatorische Charakter vom manipulativen zunehmend überlagert wird, prägt offenbar auch die Wahrnehmung von Seiten der Akademien. In ihren Empfehlungen („WÖM“; http://www.leopoldina.org/de/presse/nachrichten/stellungnahme-wissenschaft-oeffentlichkeit-medien ) ermahnen sie „die Wissenschaft“ zur Einhaltung von „Qualitätsstandards“, „Redlichkeit“ und „ethischen Grundsätzen“ bei der Vermittlung von Forschungsergebnissen. Es wird sogar ein „Qualitätslabel“ für „vertrauenswürdige Wissenschaftskommunikation“ gefordert und – für die schwarzen Schafe – ein Sanktionierungsgremium, ein „Wissenschaftspresserat“, der „unfaire und fahrlässige Berichterstattung“ rügen soll.

Fasst man das Unbehagen an der Wissenschafts-PR, wie es sich derzeit an vielen Stellen artikuliert, zusammen, frage ich mich als Betroffener: In was für einer vermurksten Branche bin ich bloß gelandet? Schießt die Wissenschaftskommunikation tatsächlich so übers Ziel hinaus, dass sie von besonnenen Professoren streng zur Ordnung gerufen werden muss? – Doch gottlob hatte sich schon deutlich vor dem Akademienbericht der „Siggener Kreis“ zu Wort gemeldet und mit einer Selbstanzeige deutlich gemacht, dass die Zunft besser sein will als ihr Image: Auch in Siggen gebar diffuses Unbehagen den Ruf nach „Leitlinien für eine gute Wissenschaftskommunikation“ (http://www.wissenschaft-im-dialog.de/ueber-uns/siggener-kreis). Aber hier äußerte sich kein distinguiertes Professorenkollegium, sondern eine Schar ausgewiesener Praktiker, rekrutiert u.a. aus Presseabteilungen, Förderinstitutionen, Journalismus und „Wissenschaft im Dialog“.

Fassen wir zusammen: Mehr als 15 Jahre nach PUSH hat scheinbar alle Akteure in der Wissenschaftskommunikation das Gefühl erfasst, es läuft nicht so, wie es laufen sollte. Über Ursachen und Verursacher wird seit dem Sommer heftig debattiert. Das Unbehagen ist lagerübergreifend. Und „Schuldige“ sind – trotz der eingangs erwähnten Verdachtsäußerungen – noch nicht von vornherein ausgemacht. Beides eröffnet das Feld für einen breiten und sachorientierten Diskurs. Niemals war die Chance für Veränderung größer!

Wie aber könnte es nun weitergehen? Und zu welchem Ende? Dazu drei persönliche Anmerkungen.

1. Wieviel Recht haben Marcinkowski und Kohring?

Ich habe mich mit dem umstrittenen Vortrag der beiden Medienwissenschaftler auseinandergesetzt (http://jensrehlaender.tumblr.com/post/97052106533/wie-schaedlich-ist-wissenschaftskommunikation ) und empfehle den Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschafts-PR die Nachahmung. Nicht um die Autoren zu widerlegen, sondern um die Haltung und die Argumente von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu studieren, die Wissenschafts-PR vom Grunde ihres Herzens ablehnen und die gesellschaftliche Dimension niemals verinnerlicht haben. Gewöhnlich verweigern Wissenschaftler ihre Mitwirkung an kommunikativen Maßnahmen mit dem Verweis auf Forschungs- und Publikationsdruck, Lehrverpflichtungen, Gremienarbeit etc. So zweifellos relevant und respektabel diese Gründe auch sein mögen: Sehr viel motivationshemmender ist die Erfahrung, dass sich der Mehraufwand aus Forschersicht nicht lohnt. Wissenschaftskommunikation ist kein Karrierebaustein.

Wenn das Wissenschaftssystem auch 15 Jahre nach PUSH kein Anreizsystem entwickelt und Wissenschaftskommunikation keinen noch so kleinen Platz im Studienplan gefunden hat – wie soll sich denn überhaupt eine Sensibilität für diese Thema in der Scientific Community entwickeln können? Eine Haltung, die Wissenschaftskommunikation nicht bloß als von oben diktiertes Übel erduldet, sondern als Impuls für eigenverantwortliches Handeln begreift?

Dass die Wissenschaftskommunikation dazu beitragen möchte, über Risiken und Chancen von Forschung aufzuklären, Orientierung in Zukunftsfragen zu bieten, Transparenz herzustellen über die Verwendung öffentlicher Gelder und den Dialog mit der Öffentlichkeit zu suchen – all das sind hehre Ziele. Aber sie taugen nicht, wie wir in eineinhalb Jahrzehnten gelernt haben, um eine große Zahl von Forscherinnen und Forschern für Wissenschaftskommunikation zu gewinnen. Als Beleg hierfür seien noch einmal Marcinkowski und Kohring zitiert: Das Ziel, Laien für Wissenschaft zu begeistern, „hat zwar im Großen nie geklappt, hat aber noch einen rationalen Zug, der heutzutage fast rührend wirkt.“

Das Wissenschaftssystem braucht also nach wie vor einen Mentalitätswandel! Und der lässt sich nur herbeiführen, wenn man die Argumente der Kritiker Ernst nimmt und darauf eingeht – so schwer das eiligen Vordenkern fallen mag. Die Dinge aus der Perspektive der Wissenschaftler zu betrachten, ist in den Kreisen der Wissenschafts-PR und des Wissenschaftsjournalismus keine geübte Tradition.

2. Wissenschaftskommunikation funktioniert nicht ohne Wissenschaftler/innen

Wie immer läuft die aktuelle Erregung im Zirkel der Wissenschaftskommunikatoren an denen vorbei, die die wichtigste Zielgruppe repräsentieren: Tausende Professoren und Zehntausende wissenschaftliche Mitarbeiter/innen. Wie gelingt es, sie an Bord zu holen? Wissenschaftskommunikation kann nicht von oben herab verordnet werden. Sie muss vorgelebt werden. Und ich wage die Behauptung, dass die Repräsentanten des Wissenschaftssystems selbst dafür keineswegs immer die besten Beispiele liefern..

Wenn es ihnen wirklich Ernst ist mit der festen Verankerung von Wissenschaftskommunikation im System: Warum gibt es bis heute kein Modul „Basiswissen Wissenschaftskommunikation“ in j e d e m Curriculum, auch außerhalb der Kommunikations- und Medienwissenschaften? Warum setzen sich nicht hochkarätige Vertreter/innen des Wissenschaftssystems mit Vertreter/innen der Pressestellen zusammen, um im Dialog und auf Augenhöhe ein Regelwerk zu verfassen, das Wissenschaftlern wie PR-Leuten gleichermaßen dient? Das man dann den eigenen Chefs und widerspenstigen Wissenschaftlern entgegenhalten kann, wenn deren Wünsche die verabredeten Regeln guter Wissenschaftskommunikation unterlaufen?

Egal was Berufene auf Tagungen über die Qualität und Zukunft der Wissenschaftskommunikation gegenwärtig aushandeln – ohne regulatorische Verankerung, ohne verbindliche Anwendungsregeln, vor allem aber ohne positive Mitwirkung der Entscheider und der Scientific Community bleibt Wissenschaftskommunikation ein Nice-to-Have – etwas, das niemanden zu nichts verpflichtet.

3. Die Vielfalt bündeln!

Wenn, wie Joachim Müller-Jung meint, seit diesem Sommer „die Weichen neu gestellt werden“ für die Qualität und Zukunft der Wissenschaftsvermittlung, ist eine Bündelung der wichtigsten Aktivitäten aus meiner Sicht unerlässlich. Wie ich höre, wird der „Siggener Kreis“ wieder tagen. Und möglicherweise nehmen die Akademien „WÖM II“ in den Blick. (Dass man bei der Fortsetzung auch Vertreter/innen der Wissenschafts-PR und die Belange des Web 2.0 berücksichtigen will, haben Peter Weingart und Reinhart Hüttl auf der Tagung der VolkswagenStiftung versprochen.) Aktivitäten weiterer Player sind vorhersehbar, weil das Thema Wissenschaftskommunikation inzwischen so prominent diskutiert wird, dass man es sich als Hochschule, Wissenschaftsinstitution, Ministerium und Relevanzmedium kaum leisten kann, weiterhin bloß am Spielfeldrand zu stehen.

„Diskutieren“ freilich ist das eine, „Handeln“ das andere. Wenn aus den kritischen Tagungen und Erörterungen der nächsten Monate auch konkreter Innovationsdruck abgeleitet werden soll, wenn das Thema „Qualitätsvolle Wissenschaftskommunikation“ auf der politischen Entscheider-Ebene Relevanz erhalten soll – dann braucht es ein Büro, das die (Zwischen-)Ergebnisse sammelt, bewertet, komprimiert und im Dialog mit den Partnern neue Impulse formuliert, um den Prozess den gemeinsam definierten Zielen näher zu bringen. Auch könnte es Aufgabe dieses Büros sein, die Forschung der letzten drei, vier Jahre zu sichten und zu erfassen und Anregungen für die hierzulande noch junge Disziplin „Science of Science Communication“ zu erarbeiten.

Ich bin überzeugt, dass Stärke und Relevanz nur aus einer solchen Gemeinsamkeit heraus zu schaffen sind. Gemeinsamkeit setzt voraus, dass keine Dialoggruppe (Wissenschafts-PR, „die Wissenschaft“, Wissenschaftsmedien, Wissenschaftspolitik usw.) ausgeklammert werden. Und dass keine Dialoggruppe sich auf Kosten der übrigen profiliert.

Zersplitterung und Kompetenzgerangel würden unweigerlich eine Rückkehr zu jenem Frontverlauf bedeuten, den wir seit mehr als 15 Jahren kennen. Das kann niemand wollen. Denn dann hätten wir die einmalige Chance, die Wissenschaftskommunikation in Deutschland auf ein neues Fundament zu stellen, für mindestens 15 weitere Jahre verspielt.

Hinweis: Die Linkliste aller relevanten Blogbeiträge zu diesem Themenfeld führt Marcus Anhäuser: http://www.volkswagenstiftung.de/veranstaltungen/veranstaltungsberichte/berichte/wowk14/schnittstelle.html

Wie schädlich ist Wissenschaftskommunikation?

Beim Workshop der VolkswagenStiftung “Image statt Inhalt? – Warum wir eine bessere Wissenschaftskommunikation brauchen” (http://www.volkswagenstiftung.de/index.php?id=2644) haben die Kommunikationswissenschaftler Frank Marcinkowski, Münster, und Matthias Kohring, Mannheim, kürzlich mit der Wissenschaftskommunikation abgerechnet:

Es gäbe „keine funktionale Begründung für öffentliche Wissenschaftskommunikation“. Sie zu fordern, würde „keinem Wissenschaftler von selbst einfallen“. Trotzdem beteiligten sich alle wissenschaftlichen Einrichtungen an dieser „Aufmerksamkeitsindustrie“. Warum? – Um Medienpräsenz in finanzielle Förderung umzumünzen.

Zitat: „Wer (als Wissenschaftler/Anm. JR) gegen Öffentlichkeit ist, macht sich verdächtig und gilt als zurückgeblieben. Dabei bedrohe Wissenschaftskommunikation „die Autonomie und die Funktionsweise von Wissenschaft“. Man gibt „dafür viel Geld aus, bindet die Zeit von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen und demotiviert sie zusehends, verschwendet also auch noch immense Ressourcen für diese falsche Strategie“.- Mit solchen Statements, man kann es wohl nicht anders ausdrücken, schockierten die beiden Forscher regelrecht die meisten der 80 geladenen Gäste im Tagungszentrum Schloss Herrenhausen in Hannover.

Dass insbesondere die anwesenden Wissenschaftskommunikatoren den Vortrag (http://www.volkswagenstiftung.de/wowk14/marcinkowski_kohring.html) der beiden scharf kritisierten, war wenig überraschend. Man würde es sich aber zu leicht machen, die Ausführungen als bloße Polemik abzutun. Deshalb will ich hier versuchen, die Argumentation nachzuzeichnen, vor allem anhand kurzer und längerer Zitate – als Auftakt für eine Diskussion im Netz über Qualitätskriterien für gute Wissenschaftskommunikation.

Die Argumentation
Für Marcinkowski und Kohring ist es „keineswegs selbsterklärend und selbstverständlich“, dass Wissenschaft sich an eine Laienöffentlichkeit wenden muss. Ob eine wissenschaftliche Aussage wahr oder falsch ist, entscheidet die Scientific Community aufgrund fachlicher Expertise. Dafür bedarf es nicht „der Zustimmung Dritter – schon gar nicht aller denkbaren Dritten“. „Wer dem skeptisch gegenüber steht, der möge sich vorübergehend einmal vorstellen, wie es wäre, in einer Welt mit öffentlicher Rechtsprechung zu leben“ – wo also Laien zu Gericht sitzen, die niemals Rechtswissenschaften studiert haben.

Wenn es also kein Indiz dafür gibt, „dass der wissenschaftliche Erkenntnisprozess dadurch befördert wird, dass möglichst viele zugucken oder im Begründungsverfahren mitreden“ – wer genau fordere dann überhaupt die Kommunikation von Wissenschaft in die breite Öffentlichkeit? Nach Ansicht von Kohring und Marcinkowski ist es, indirekt, die Politik. Früher hätten Politiker die Finanzierung des Wissenschaftssystems aus Steuermitteln mit dem Recht verknüpft, auch mitzuentscheiden, wofür diese Mittel eingesetzt werden. Aus dieser Detailsteuerung habe man sich aber angesichts der wachsenden Komplexität der Materie in den letzten eineinhalb Jahrzehnten zurückgezogen und den Wissenschaftsorganisationen mehr Autonomie bei der Budgetierung und Mittelverwendung zugestanden.
Gleichzeitig habe die Politik die Höhe der Finanzierung an Leistungsvereinbarungen geknüpft und auf diese Weise „die der Wissenschaft … wesensfremde Figur des Wettbewerbs propagiert“; „Wettbewerb wird öffentlich vorgeführt und für die Öffentlichkeit inszeniert – die prominentesten Beispiele sind die Exzellenzinitiative und die allgegenwärtigen Rankings.”

Um im Wettbewerb für finanzielle Ressourcen zu bestehen, seien die Institutionen gezwungen, „mit allen Mitteln an der eigenen Sichtbarkeit“ zu arbeiten. Das Vehikel dafür sei die Wissenschaftskommunikation. „Früher glaubte man, durch die Aufklärung der Laienbevölkerung mittels Wissen auch Akzeptanz für den Wissensproduzenten zu erzielen. Das hat zwar im Großen nie geklappt, hat aber noch einen rationalen Zug, der heutzutage fast rührend wirkt.“ Inzwischen aber diene Wissenschaftskommunikation keineswegs mehr „einer öffentlichen Kontroll- und Kritikfunktion oder gar einer Partizipation der Laienöffentlichkeit“, sondern „dem Primat der Eigenwerbung“, „der Medialisierung der wissenschaftlichen Einrichtungen“ – kurzum, sie sei eine „PR-Strategie“, mit „negativen Folgen für die Autonomie und die Funktionsweise von Wissenschaft“.

Ein längeres Zitat: „Das überzogene Streben nach Aufmerksamkeit löst sich nämlich völlig von der … Eigenlogik der Wissenschaft … – anders ausgedrückt: Wissenschaft tut nicht mehr das, wofür die Gesellschaft sie eigentlich bräuchte. Am sinnfälligsten wird das in scheinbar harmlosen und auf den ersten Blick sympathischen Forderungen, Wissenschaftler für die Wissenschaftskommunikation zu belohnen. Es gibt ja schon längst Zielvereinbarungen mit Professoren, in denen mediale Präsenz gefordert und bezahlt wird. Solche Anreize zielen darauf ab, die Wissenschaft so zu verändern, dass sie über sich selbst kommuniziert. Nicht die Wissenschaft hat dann den Primat, sondern die Kommunikation darüber.“ „Sichtbarkeit“ von Wissenschaft werde mit ihrer tatsächlichen wissenschaftlichen „Relevanz“ verwechselt. „Wir behaupten, dass eine übertrieben forcierte öffentliche Wissenschaftskommunikation – und zwar weil sie öffentlich ist – die Qualität von Wissenschaft systematisch zu verschlechtern droht.“

Schon wähle die Wissenschaft „Themen nach ihrem aktuellen Aufmerksamkeitspotenzial aus, … man produziert öffentlich darstellbare Ergebnisse oder kommuniziert nur solche Ergebnisse nach außen (man, das sind auch wissenschaftliche Zeitschriften) … – im Endeffekt werden der Wissenschaftler und sein Werk danach bewertet, ob sie an eine nicht-wissenschaftliche Öffentlichkeit vermittelbar sind.”

Wissenschaftskommunikation habe einen Mechanismus in Gang gesetzt – Kohring und Marcinkowski sprechen von „einer regelrechten Autosuggestion“ und einer „Ideologisierung des Begriffs“ – , „der sich zunehmend auf alle, auch auf die epistimischen Abläufe der Wissenschaft auswirkt und schon ausgewirkt hat, ja, der sich mehr und mehr in diese Erkenntnisprozesse der Wissenschaft hineinfrisst.“

Deshalb, so das Fazit der beiden Kommunikationswissenschaftler, könne es aus Sicht der Wissenschaft kein Ziel sein „bessere” Wissenschaftskommunikation zu fordern, sondern „diesen Mechanismus der öffentlichen Aufmerksamkeit und dessen unheilvollen Einfluss auf wissenschaftliche Erkenntnisse mit allen Mitteln außer Kraft zu setzen“.

Meine Meinung
Fassungslosigkeit war in den Gesichtern vieler deutlich abzulesen, die dem Vortrag zugehört haben. Die meisten dürften den Eindruck mitgenommen haben, die Kohring und Marcinkowski wollten die Wissenschaftskommunikation völlig abschaffen, weil sie nicht förderlich sei für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess. Laien – also auch Politikern – sei das Mitspracherecht zu verwehren, weil sie nicht über die dafür nötige fachliche Vorbildung verfügen. Einzig Wissenschaftsjournalisten akzeptieren Kohring und Marcinkowski als Instanzen, die kompetent genug sein (sollten), aus der Vielfalt von Studien jene herausfiltern, die für ihre jeweiligen Fächer tatsächlich „relevant“ seien und die diese dann einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen.

Ist das, was Marcinkowski und Kohring wollen, die Wiedererrichtung des akademischen Elfenbeinturms? Stammt ihr Bild von Wissenschaftskommunikation aus Vor-PUSH-Zeiten? Meiner Meinung nach: nur teilweise. Sie selbst beteuern am Ende ihres Vortrags, sie würden Wissenschafts-PR nicht generell für unnötig halten, aber vor einer „aus unserer Sicht fatalen Fehlorientierung von Wissenschaftskommunikation“ warnen. Und genau dies ist ein Punkt, der die Auseinandersetzung lohnt. Denn Fehlentwicklungen gibt es in der Wissenschafts-PR durchaus. Sie waren der Anlass zur Formulierung des „Siggener Aufrufs“; sie werden aufgegriffen in den „Empfehlungen“ der Akademien (http://www.acatech.de/de/publikationen/stellungnahmen/kooperationen/detail/artikel/zur-gestaltung-der-kommunikation-zwischen-wissenschaft-oeffentlichkeit-und-den-medien-empfehlungen.html) – und sie standen im Mittelpunkt des Workshops der VolkswagenStiftung.

Wer will bestreiten, dass die Aufgabe von Wissenschaftskommunikation nicht mehr nur die Vermittlung von Forschungsergebnissen an ein breites Publikum ist, sondern auch, fast möchte man sagen: „natürlich“, der Profilierung der eigenen Institution im Wettbewerb um Fördermittel dient? Die Pressestellen sind angehalten, möglichst viele Artikel in angesehenen Traditionsmedien zu initiieren, weil diese von jenen gelesen werden, die über Fördermittel entscheiden. Ihre PR-Strategien verfolgen das Ziel, größtmögliche Wahrnehmung zu erzeugen. Das hat dazu geführt, dass eher bescheidene Forschungserfolge in Pressemitteilungen sensationalisiert werden, dass nicht medienaffine Fächer in der Außendarstellung nicht vorkommen und etwa die Sichtbarkeit in Rankings als Gütesiegel für ganze Hochschulen missgedeutet werden.

Andererseits sorgen Forschungssprecherinnen und – sprecher dafür, Wissenschaft und Gesellschaft überhaupt in einen Dialog zu bringen. So verhindern sie die Konfrontation, die unvermeidlich würde, wenn die Wissenschaft sich dem Wunsch verweigert, ihr Forschungshandeln in der Öffentlichkeit darzustellen, über Mittelverwendung transparent zu berichten und offen zu sein für die Fragen und Sorgen der interessierten Laien. Wissenschaft ist auch Dienst an und für die Gemeinschaft!

Es wäre also nicht nur völlig unzeitgemäß, sondern auch töricht, der Wissenschaftskommunikation ihre Existenzberechtigung bestreiten zu wollen. Aber auch 15 Jahre nach PUSH scheint es große Unsicherheiten zu geben – dafür scheint mir der Vortrag wieder ein Indiz zu sein -, wie die Rollenverteilung zwischen Kommunikation und Forschern aussieht, wer welche Aufgaben zu übernehmen hat und welchen Anforderungen zu genügen. Es fehlt ein „Code of Conduct“.

Und wir Wissenschaftskommunikatoren müssen uns fragen, ob die Qualitätsstandards, die einzuhalten wir dauernd vorgeben, in der Praxis tatsächlich eingehalten werden? Generell gefragt: Wer definiert überhaupt, was qualitätsvolle Wissenschaftskommunikation ausmacht und wo sind diese Richtlinien niedergelegt?

Die Frage ist rhetorisch, denn die Antwort kennen wir alle: Es gibt den einen Kriterienkatalog für gute Wissenschaftskommunikation nicht. Auch nicht nach dem Workshop der VolkswagenStiftung, der sich eigentlich zum Ziel gesetzt hatte, Bausteine für eine „Charta guter Wissenschaftskommunikation“ zu erarbeiten, wie sie bereits der Siggener Kreis angeregt hatte.

Stattdessen hat der Workshop ein anderes (Teil-)Ergebnis erbracht, das im Moment vielleicht noch viel wichtiger ist: Kommunikatoren und Wissenschaftler haben dort angefangen, einen Dialog auf Augenhöhe zu führen. Die Kommunikatoren haben eingestanden, dass sie nur ein vages Bild von den Standards in der eigenen Branche haben (Personalstärke, fachspezifische Ausbildung, Professionalisierungsgrad, Verortung und Kompetenzen innerhalb einer Organisation etc.), und Wissenschaftler bemängelten, dass nicht einmal Grundzüge der Wissenschaftskommunikation jemals Teil ihrer Ausbildung gewesen seien. Zudem seien die Rahmenbedingungen so, dass öffentlichkeitswirksames Engagement weder belohnt würde noch der Karriere diene, eher im Gegenteil: Medienpräsenz könne innerhalb einer Fachcommunity sogar ins Abseits führen.

Vielleicht war dies auch eine indirekte Reaktion auf den Vortrag von Kohring und Marcinkowski: Dass die Kommunikatoren und Wissenschaftler sich im Workshop motiviert fühlten, Zäune einzureißen, die der gegenseitigen Annäherung bislang im Weg gestanden haben. Das Angebot an den Bundesverband Hochschulkommunikation, an der nächste Studie der Akademien mitzuwirken (#wök) und sich dort besonders im Bereich „Web 2.0“ einzubringen, war ein weiteres Ergebnis dieser Annäherung. Allerdings ist der Weg, der in Hannover eingeschlagen wurde, noch weit. Sehr weit sogar.

Links:
Die Dokumentatzion des Workshops “Image statt Inhalt – Warum wir eine bessere Wissenschaftskommunikation brauchen” (#wowk14) : http://www.acatech.de/de/publikationen/stellungnahmen/kooperationen/detail/artikel/zur-gestaltung-der-kommunikation-zwischen-wissenschaft-oeffentlichkeit-und-den-medien-empfehlungen.html

Linkliste von Marcus Anhäuser mit Beiträgen zu #wowk14, Akademienpapier, Siggener Kreis: http://scienceblogs.de/plazeboalarm/index.php/empfehlungen-fuer-eine-besser-wissenschafts-pr-allerorten/

Redet miteinander! Über Wissenschaftskommunikation

Erstens: Die Pressestellen der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben ein veritables Akzeptanzproblem. Zweitens: Das Web 2.0 ist kein Ort für die seriöse Auseinandersetzung mit Wissenschaft.

Dies sind für mich zwei Erkenntnisse aus dem Abschlussbericht, den eine Kommission unter Leitung des renommierten Soziologen Peter Weingart gestern in Berlin vorgestellt hat (#woem). Schätzungsweise 80 Gäste – zur Hälfte Wissenschaftskommunikatoren, die andere Hälfte Wissenschaftler/innen und Journalist/innen – waren der Einladung von acatech, Leopoldina und Union der deutschen Akademien der Wissenschaften gefolgt. Dieses Bündnis war es auch, das vor zweidreiviertel Jahren den Beschluss fasste, die „Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien“ untersuchen zu lassen. Der Kommission gehörten acht Professoren an sowie zwei Journalisten, darunter die einzige Frau (Heidi Blattmann).

Vorgelegt wurden nun eine schlanke DinA4-Broschüre (30 Seiten) mit 13 „Empfehlungen vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen“ und, was bislang unzureichend bekannt ist, ein kapitaler Paperback (425 Seiten) mit Überblickstexten und ausführlichen Einzelgutachten, etwa über „die Rolle sichtbarer Wissenschaftler in der Wissenschaftskommunikation“ und „die Zukunft der Finanzierung des Qualitätsjournalismus“. (Download der Empfehlungen: http://www.acatech.de/de/publikationen/publikationssuche/detail/artikel/zur-gestaltung-der-kommunikation-zwischen-wissenschaft-oeffentlichkeit-und-den-medien-empfehlungen.html; Buch: http://www.amazon.de/Wissen-Nachricht-Kommunikation-Wissenschaft-%C3%96ffentlichkeit/dp/3942393808)

Anlass des Unternehmens war das Unbehagen auf Seiten der Akademien, dass Wissenschafts-PR unter dem Eindruck des Eigenmarketings immer öfter übers Ziel hinausschießen würde. Deshalb fordert die Kommission nun gleich unter Ziffer 1 ihrer Empfehlungen von den „Leitungsebenen aller wissenschaftlichen Einrichtungen“, man möge „mit Journalisten ethische Grundsätze und Qualitätskriterien zur Kommunikation ihrer Forschungsergebnisse“ entwickeln. Sogar die Schaffung eines eigenen Qualitätslabels „für vertrauenswürdige Wissenschaftskommunikation zur Auszeichnung institutioneller Pressearbeit“ wird vorgeschlagen (Zif.2). „Beschwerden über unfaire und fahrlässige Berichterstattung“ sollen einem noch zu etablierenden „Wissenschaftspresserat“ vorgelegt werden (Zif. 10).

Liest man die „Empfehlungen“ ohne die weit ausholenden Erläuterungstexte, fragt man sich bange: Wie schlimm ist es um die Wissenschafts-PR in Deutschland bestellt? Gelten heute neue Spielregeln, also Manipulation statt Information? Übertreibung statt Wahrheit? Institutionenmarketing statt Werbung zum Wohl der Wissenschaft? Und sind einzig Kommunikationsforscher und Journalisten kompetent, mit Leitfäden und Qualitätsstandards die entfesselte Hydra zu bändigen?

Zweifellos liegt etwas im Argen mit der Wissenschafts-PR. Das haben aber auch die Branchenvertreter/innen schon für sich erkannt und sparen in ihrem jüngst publizierten „Siggener Aufruf“ nicht mit Selbstermahnung:

„Gute Wissenschaftskommunikation arbeitet faktentreu. Sie übertreibt nicht in der Darstellung der Forschungserfolge und verharmlost oder verschweigt ihr bekannte Risiken neuer Technologien nicht. Sie macht Grenzen ihrer Aussagen sichtbar. … Sie weicht nicht für Zwecke des Institutionenmarketings oder der Imagebildung von Faktentreue und Transparenz ab.“

Weingart-Gruppe und Siggener Kreis sind also denselben Mängeln auf der Spur – aber sie nähern sich aus zwei entgegen gesetzten Richtungen. Und sie reden nicht miteinander. Als Peter Weingart bei der Präsentation des Berichts aus dem Publikum gefragt wird, warum keine einzige Person aus der Wissenschafts-PR berufen worden sei, antwortet er, die Pressestellen habe man zum Zeitpunkt der Zusammensetzung der Kommission „nicht auf dem Schirm gehabt“.

Wie aber kann man die Reparatur der Wissenschaftskommunikation verhandeln, ohne Wissenschaftskommunikatoren an Bord zu haben ? Die Antwort liegt auf der Hand: Es scheint, dass die Pressestellen der Wissenschaftseinrichtungen bei den Forscherinnen und Forschern, für die sie sich engagieren sollen, kein allzu großes Ansehen genießen. Traut man ihnen nicht zu, professionell und angemessen Wissenschaftskommunikation zu betreiben?

Folgerichtig sehen die Verfasser des Abschlussberichts in erster Linie Journalisten als verlässliche und dafür berufene Vermittler von wissenschaftlichen Nachrichten in die breite Öffentlichkeit. Im Bericht findet sich kein Wort zur chronischen Überlastung vieler Pressestellen und wie man ihr begegnen sollte. Stattdessen sorgen sich die Autoren auf vielen Seiten um die Zukunftssicherung des (Wissenschafts-)Journalismus – was zweifellos a u c h wichtig ist:

„Regierungen und politische Parteien“, „Stiftungen in Deutschland“, Verlage, Sender, Verlegerverbände, Ausbildungseinrichtungen und journalistischen Berufsverbände – ihnen allen wird unter den Zif. 6, 7 und 9 „dringend nahegelegt“, mit Geld und guten Ideen dem Qualitätsjournalismus aus der Krise zu helfen.

In Berlin nutzten die anwesenden Journalisten die Vorlage, um nach Alimentierung durch Stiftungen und öffentliche Hand zu rufen und ihrem Votum für ein (von wem zu finanzierendes?) Science Media Center Ausdruck zu verleihen. Und nach meinem Eindruck war mancher Wissenschaftler/innen-Miene anzusehen, dass man tatsächlich eher an dieser Stelle investieren würde als in Pressestellen, die ZEIT WISSEN-Autor Nils Boeing nach eigener Aussage „sowieso nicht braucht. Ich rufe direkt beim Forscher an.“

Nicht weiter erörtert wurde ein zweite Merkmal der Empfehlungen: die völlige Ausblendung des Internets und seiner rasant wachsenden Bedeutung für die Wissenschaftskommunikation. Im Buch gibt es zwar ein mehr als 50 Seiten langes Gutachten des Münchner Medienforschers Christoph Neuberger („Social Media in der Wissenschaftsöffentlichkeit“). Aber selbst dieses beurteilt in summa die informatorische Qualität im Web 2.0 als nicht gegeben, was sich in den Unterscheidungskategorien „professioneller Journalismus“ und „Laienkommentatoren“, z.B. Blogger, manifestiert.

Also eine große Chance großartig verschenkt? Auf keinen Fall!

Vielmehr ein historischer Moment, weil seit dem PUSH-Memorandum vor 15 Jahren die Diskussion um die Qualität und Zukunft von Wissenschafts-PR nicht mehr so tief und umfassend ausgeleuchtet wurde wie gegenwärtig im Siggener Kreis und in der Akademiengruppe um Peter Weingart. Jetzt gilt es die Gunst der Stunde zu nutzen und die Schnittmengen in den Befunden in einer Charta für gute Wissenschaftskommunikation zusammenzuführen.

Übereinstimmungen gibt es genug, Abweichungen müssen diskutiert werden. Dafür ist eines aber erforderlich: Dass Wissenschaftler/innen,Wissenschaftskommunikator/inen und Journalist/innen miteinander reden. Mit gegenseitigem Respekt und auf Augenhöhe.

Dann kann uns gemeinsam viel gelingen.

Anmerkung: Der Verfasser ist Mitorganisator eines Experten-Workshops, den die VolkswagenStiftung vom 30.6. – 1.7.14 veranstaltet; Titel: „Image statt Inhalt – Warum wir eine bessere Wissenschaftskommunikation“ brauchen (http://www.volkswagenstiftung.de/nc/veranstaltungen/veranstdet/ttback/41/article/image-statt-inhalt-warum-wir-eine-bessere-wissenschaftskommunikation-brauchen.html ). Dieser baut auf Ergebnissen u.a. des Siggener Kreises (vertreten durch Elisabeth Hoffmann, Markus Weißkopf) und der Akademien (Reinhard Hüttl, Peter Weingart) auf und wird deren Ergebnisse diskutieren.

Welche Wissenschaftskommunikation der Siggener Kreis will

Die professionellen Vermittler von Wissenschaft, in erster Linie also die Pressestellen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, haben es nicht leicht. Ihre Pressemitteilungen werden nicht gedruckt, weil es in den Redaktionen kaum noch Wissenschaftsjournalisten gibt, vor allem in den Regionalmedien. Ihr Terminkalender quillt über, weil die eigene Institutsleitung dauernd nach der Konkurrenz schielt und gern auch einen Science Slam, eine Lange Nacht der Wissenschaft, eine Kinder-Uni oder Multimedia haben will.

Die Kommunikatoren stellen sich notgedrungen den Herausforderungen sozialer Netzwerke, damit der Kontakt zu Studierenden und jungen Nachwuchswissenschaftlern nicht völlig abreißt. Aber am Jahresende ist die Pressestelle dann trotzdem Mitschuld daran, wenn zu wenig Drittmittel eingeworben wurden. Denn auch das soll Wissenschaftskommunikation heute leisten: Die Innovationskraft des eigenen Forschungshauses so überhöhen, dass die Gelder aus der Politik, der Wirtschaft und Wissenschaftsförderung munter sprudeln. Getreu dem Motto: Nur wer laut schreit, wird auch gehört.

Seit dem PUSH-Memorandum vor 15 Jahren ist zweifellos viel passiert in der Vermittlung von Wissenschaft. Aber ist die Wissenschaftskommunikation seither besser geworden?
Für kritische Selbstreflexion ließ der pralle Eventkalender der Branche bislang wenig Zeit. Hinter den Kulissen aber brodelt es schon lange. Wissenschaftler zeigen sich zusehends verunsichert in der Frage, ob, wieviel und welche Form von Wissenschaftskommunikation die Institutsleitungen und Förderer von ihnen erwarten? Und die verantwortungsbewussten unter den Kommunikatoren beschleicht zunehmend das schale Gefühl, ob sie recht daran tun, jede zweite Wissenschaftsmeldung mit Superlativen zu dekorieren oder gar als Durchbruch zu verbrämen?

Inzwischen greift mehr Grübeln um sich. Schon vor zwei Jahren haben acatech, Leopoldina und Berlin-Brandenburgische Akademie eine Arbeitsgruppe um den prominenten Soziologen Peter Weingart eingesetzt. Deren Aufgabe: Das „Verhältnis zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien“ auszuloten. Am 17. Juni 2014 wird der Abschlussbericht in Berlin präsentiert.

Und im Sommer 2013 traf sich der Siggener Kreis: gut zwei Dutzend kompetente Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaftsinstitutionen, Pressestellen, aus Wirtschaft, Politik und Journalismus. Kürzlich gab es ein Folgetreffen auf dem ostholsteinischen Gut. Heute publizierte der Kreis unter dem Label „Siggener Aufruf“ zwei Papiere: „Wissenschaftskommunikation gestalten“ und „Leitlinien für gute Wissenschaftskommunikation“.

Soviel vorneweg: ein Barrikadensturm wird hier nicht angezettelt. Statt entschlossener Forderungen (an wen auch?) wird ein erhabenes Wunschbild von Wissenschaftskommunikation entworfen. Genau dies ist aus meiner Sicht der Makel dieser verdienstvollen Initiative: Der sogenannte Siggener Aufruf dürfte es vor allem deshalb schwer haben, sich Gehör zu verschaffen, weil er niemanden zum Widerspruch herausfordert!

Denn wer wollte dagegen halten, wenn die Autorinnen und Autoren ihr Idealbild von aufrechter Wissenschaftskommunikation folgendermaßen konstruieren:

„Gute Wissenschaftskommunikation arbeitet faktentreu. Sie übertreibt nicht in der Darstellung der Forschungserfolge und verharmlost oder verschweigt ihr bekannte Risiken neuer Technologien nicht. Sie macht Grenzen ihrer Aussagen sichtbar. Außerdem sorgt sie für Transparenz der Interessen und finanzieller Abhängigkeiten. Sie benennt Quellen und Ansprechpartner. Sie beantwortet die Frage, welche Bedeutung die Informationen für Wissenschaft und Gesellschaft haben und ordnet sie in den aktuellen Forschungsstand ein. Sie weicht nicht für Zwecke des Institutionenmarketings oder der Imagebildung von Faktentreue und Transparenz ab.“

Oder:
„Gute Wissenschaftskommunikation ist selbstreflexiv und selbstkritisch. Sie arbeitet wertegeleitet und strategisch und definiert Maßstäbe für die Qualität ihrer Arbeit und ihrer Ergebnisse. Sie organisiert ein Monitoring über die Erfüllung der Kriterien und ermöglicht deren Veränderung über Feedbackprozesse.“

Bevor sich nun Kenner der Wirklichkeit fragen, was genau hier beschrieben wird, sei es nochmal betont: Dies ist die Wissenschaftskommunikation, wie sie sich der Siggener Kreis für die Zukunft wünscht. Die Realität ist ja eher dadurch gekennzeichnet, dass die oben beschriebenen Qualitätskriterien eben nicht, zumindest aber viel zu selten im realen PR-Betrieb anzutreffen sind.

Woran liegt das? Zum Teil auch an den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbst, die häufig nicht zu den glühendsten Anhängern enger Zusammenarbeit mit ihren Pressestellen zählen. Meist dient Zeitmangel als Absagegrund. Häufig spielt aber auch die Furcht hinein, durch Medienpräsenz bei den Fachkollegen anzuecken. Wahrscheinlich stellen sich viele aber auch eine simple Frage, auf die ihnen das deutsche Wissenschaftssystem – auch 15 Jahre nach PUSH – immer noch eine überzeugende Antwort schuldig geblieben ist: Was bringt es meiner Karriere, wenn ich Wissenschaftskommunikation betreibe?

Dass ohne eine motivierende Regelung dieser Frage die Qualität von Wissenschaftskommunikation immer wieder an Grenzen stößt, wissen natürlich auch die Mitdenker im Siggener Kreis – und legen den Finger in die Wunde, wenn sie formulieren:

„Wissenschaftler, die sich in den Dialog mit der Öffentlichkeit einbringen, verdienen besondere Unterstützung und Wertschätzung. Diese sollen sich auch in der nachvollziehbaren Berücksichtigung ihrer Kommunikationsleistungen in den Be- und Entlohnungssystemen der Wissenschaft ausdrücken.“

Mit anderen Worten: Forscherinnen und Forscher, die sich (im Verein mit ihren zuständigen Pressestellen) in der Wissenschaftskommunikation engagieren, müssen dafür ausgezeichnet werden – nicht (nur) mit Pokalen, sondern mit einer Gutschrift auf ihr Impact Factor-Konto. Dadurch würden Kommunikationsbemühungen neben Forschung und Lehre endlich auch für Bewerbungen relevant.

Doch vor einem solchen Schritt scheut das System bislang zurück. Neben anderen Gründen fürchten die Förderinstitutionen den Protest jener Professoren, die in wenig öffentlichkeitswirksamen Disziplinen unterwegs sind. Oder dass medienpopuläre Wissenschaftsvertreter von den Altvorderen gemobbt werden.

Neben vielen Fragen, die der Siggener Kreis aufwirft, dürfte die Wertschätzung für Kommunikationsbemühungen seitens des Wissenschaftssystems eine der entscheidenden sein. Bis hier keine eindeutige Haltung formuliert ist, bleiben die Pressestellen von vielen widerstreitenden Interessen getrieben. Und Forscher werden sich weiter fragen, welche Form von Wissenschaftskommunikation „das System“ sich von ihnen wünscht.

Der Siggener Kreis hat sein Diskussionsangebot zur Zukunft der Wissenschaftskommunikation vorgelegt. Jetzt ist es an uns, dieses inspirierende Angebot konstruktiv anzunehmen.