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Realitätsfern: Die Debatte über die Trennung von Journalismus und PR

Was teurer sei, fragte mich vor einiger Zeit eine promovierte Biochemikerin: „eine Anzeige oder ein journalistischer Artikel?“ Die Frage löste zunächst Schockstarre bei mir aus. Wie konnte es sein, dachte ich, dass sogar bei einer Vertreterin der akademischen Oberschicht offenbar jegliche Medienkompetenz abwesend und das ethische Fundament der Branche, die Trennung zwischen Redaktion und Kommerz, unbekannt war?

Ist PR auch „eine Art Journalismus“?

An diese Anekdote musste ich denken angesichts der gerade wieder aufflammenden Debatte über die Trennung von Journalismus und PR. Ausgelöst wurde dieser Streit durch die aktualisierte Definition des Berufsbildes „Journalistin-Journalist“ seitens des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Hinnerk Feldwisch-Dendrup vermisst darin die klare Abgrenzung zur PR, wie er in der taz  schreibt.  Für DJV-Vorstand Frank Überall dagegen, im NDR-Medienmagazin Zapp, ist „PR auch eine Art Journalismus“.

Eine zu simple Zweiteilung der Medienwelt

Wenig überraschend forderte Überall  mit diesem Statement die dogmatisch wertkonservativen Kritikerinnen und Kritiker im Verband heraus, die sich über alle Zeitläufte hinweg und dem Medienwandel tapfer trotzend an die simple Zweiteilung ihrer Welt klammern: Gut ist in diesem Narrativ der uneigennützig aufklärende Journalismus; böse dagegen das manipulative Verführungswerk der PR-Leute. Einige Vertreterinnen und Vertreter dieses Lagers haben bei Twitter bereits wütend ihren Austritt aus dem DJV verkündet.

Eine zyklisch wiederkehrende Debatte

Ich war mehr als 20 Jahre Mitglied der GEO-Redaktion. Seit 2010 leite ich die Kommunikation der VolkswagenStiftung, der größten privaten Wissenschaftsfördererin in Deutschland. Ich bin also einer dieser Seitenwechsler, über die man jetzt so oft liest. Einer, der das Handwerk des Journalismus in der PR ausübt – ohne zu behaupten,  Journalismus zu betreiben. Ich tue dies übrigens mit großer Begeisterung und keineswegs so verschämt, wie ich es tun müsste, würde ich die selten schmeichelhaften Attribute persönlich nehmen, mit denen Noch-Journalisten die Ex-Journalisten in der PR geringschätzen.

Die gegenseitige Durchdringung ist längst real

Nach also gut dreißig Jahren im Mediengeschäft kenne ich die Debatte über die Unvereinbarkeit von Journalismus und PR gut, sie kehrt in Zyklen wieder und lässt die Emotionen auf beiden Seiten hochkochen. Was die aktuelle Debatte jedoch von allen vorangegangenen unterscheidet: Dieses Mal ist sie völlig sinnlos, weil die gegenseitige Durchdringung von Journalismus und PR längst Wirklichkeit geworden ist.

Das Publikum merkt keinen Unterschied

Für diese These steht als lebendes Indiz auch die eingangs zitierte Biochemikerin: Große Teile des Publikums, auch das als gebildet geltende, sind weder fähig noch willens einen Unterschied zu machen zwischen Journalismus und PR – und dem gattungsverwandten Marketing. Das hat gewiss damit zu tun, dass es keine Medienkunde an den Schulen gibt. Oder dass es nicht nur das junge Publikum ist, das sich beim Sichten von Newsfeeds in den sozialen Netzwerken für die Seriosität von Quellen keinen Deut interessiert.

Die Medienhäuser selbst machen die Grenze durchlässig

Was aber weniger häufig ins Feld geführt wird: Die Medienhäuser selbst haben die Grenze zwischen Redaktion und PR beharrlich perforiert. Sie mussten es tun, um jenseits von Anzeigen und Vertrieb dringend benötigte neue Erlösquellen zu erschließen. Dass der Sündenfall also längst vollzogen ist, wollen die Verfechterinnen und Verfechter der reinen Journalismus-Lehre aber nicht wahr haben.

  • Nach wie vor zeigen Redakteure mit dem Bäh-Finger auf PR-Menschen – während sie selbst mit Corporate Publishing-Abteilungen, die inzwischen von allen großen Verlagen gegründet wurden, unter einem Dach arbeiten.
  • Sie stellen mit stolzgeschwellter Brust ihre Unabhängigkeit als Tugend ins Schaufenster – und entwerfen gleichzeitig auf Geheiß der Verlagsleitungen mit Anzeigenkunden Kampagnen im Native Advertising.
  • Sie nehmen für sich in Anspruch, der Macht furchtlos und kritisch auf die Finger zu schauen – und spielen die Conferenciers und beflissenen Stichwortgeber für Industriegrößen und Banker, die auf Podien und als zahlende Gäste dazu beitragen sollen, die für die Wirtschaft kreierten Tagungen und Konferenzen ihrer Medienhäuser kommerziell erfolgreich zu machen.
  • Glauben die Chefredakteurinnen und -redakteure tatsächlich, Leserinnen und Leser würden keinen Zusammenhang herstellen zwischen dem jubilierenden Artikel über eine Geschäftsneueröffnung und der viertelseitigen Anzeige des Geschäftsgründers auf derselben Zeitungsseite? Oder dass alle geilen Fotos im Autoteil von den Herstellern zur Verfügung gestellt wurden und die Fotos vom Tropen-Resort im Reiseteil vom Veranstalter (der auch die Reise des Berichterstatters bezahlt hat)? Wer mag an Zufall glauben, wenn es auf der Homepage des sogenannten Qualitätsmediums einen umfänglichen Schwerpunkt „Volkskrankheit: Allergien“ gibt, in dem wochenlang die Werbebanner einer bestimmten  Krankenkasse auftauchen?

 

Nein, liebe Journalistinnen und Journalisten, liebe Ex-Kolleginnen und -kollegen, die schlichte Zweiteilung der Medienwelt ist längst eine pure Fiktion. Das heißt nicht, dass ich für eine Aufweichung der definierten Rollen und Funktionen bin, die Journalismus und PR aus systemischen Gründen unterscheiden. Ich teile nicht die Meinung von Frank Überall, PR sei auch eine Art Journalismus. Aber ich fände es konstruktiv, wenn beide Lager unverkrampfter miteinander kommunizieren würden. Die nötige Reflexion, ausgelöst von der Debatte um die Berufsbild-Definition des DJV, könnte beitragen, unser Miteinander, meinetwegen auch friedvolles Nebeneinander in einer Medienzukunft zu gestalten, die ohne jene stattfinden wird, die die dogmatische Trennung zwischen Journalismus und PR für die Stabilisierung ihres Selbstbildes brauchen.

Die Zukunft wartet nicht auf uns. Die kommt. So der so.

 

Staatskohle für Startups im Journalismus!

Vor allem im Online-Journalismus rollt die Gründerwelle, aber selten ein Rubel. Das Geschäftsmodell: Selbstausbeutung. Wer könnte finanziell helfen? Die Öffentlich-Rechtlichen!

Wer nur über den Niedergang im Journalismus jammert, verstellt sich den Blick auf Tröstliches, nämlich die beharrlich wachsende Zahl der journalistischen Startups in Deutschland, vor allem im Online-Journalismus. Ob Correctiv, Hostwriter, Coda Story, RiffReporter oder demnächst Republik: Immer mehr Journalistinnen und Journalisten wagen bewundernswerterweise den Weg ins freie Unternehmertum – und damit auch die Fahrt in einer finanziellen Geisterbahn.

Denn ungeachtet der Vielfalt an Ideen und Konzepten, in einem sind alle Projekte gleich: Sie stehen vom ersten Moment an mit einem Fuß in der Pleite. Marktübliche Refinanzierung über Werbung und Abos funktioniert mangels Masse nicht. Und überhaupt: Wer betrachtet Journalismus noch als eine veritable Dienstleistung, für deren Inanspruchnahme der Kunde zu zahlen hat?

Betteln auf Crowdfunding-Plattformen

Alle digitalen Bezahlmodelle (Later Pay, Schranke, Freemium etc.) haben die Erwartungen bislang nicht erfüllt. Und die Bettelei auf Crowdfunding-Plattformen und bei wohltätigen Stiftungen ist auch kein Ersatz für ein funktionierendes Geschäftsmodell.

Flyerfoto RiffReporter

Eines von zahlreichen Startups im Journalismus: RiffReporter

Dass sich Startups überhaupt halten und die Gründerwelle anhält, beruht auf dem schlichten Prinzip freiwilliger und dauerhafter Selbstausbeutung. Als Newcomer, ohne etabliertes Medienunternehmen im Rücken, lässt sich gesellschaftlich relevanter Journalismus nicht refinanzieren. Das kann man sich dann nur als WG-Bewohner(in) ohne Familie leisten.

Alle journalistischen Neugründungen, zumindest die im Internet, werden dauerhaft auf Subventionen angewiesen bleiben. Doch woher soll die Kohle kommen? Meiner Ansicht nach von dort, wo das Geld immer her kommt, wenn es einer wichtigen Branche ökonomisch schlecht geht: von der öffentlichen Hand.

Subventionen für den Journalismus? Warum nicht?

Das Budget der Öffentlich-Rechtlichen ist trotz gegenteiliger Beteuerungen mit zuletzt 8,1 Mrd. Euro Gebühreneinnahmen nach wie vor üppig bemessen. Warum nicht fünf Prozent davon abzweigen, um ein großes Lab für die Förderung journalistischer Start-Ups ins Werk zu setzen?

Die Idee ist nicht neu und wurde schon früher niemals ernsthaft verfolgt, weil Lobbyisten und die Beharrungskräfte im öffentlich-rechtlichen System eine fundierte Diskussion verhindert haben. Aber ein Wiederaufrollen dieser Überlegung lohnt,  weil sich das gesellschaftliche Umfeld radikal verändert hat. Journalismus ist Teil des derzeitigen Eliten-Bashings. Zur Disruption ist die Diffamierung hinzugekommen.

Junge Gründer(innen) deuten die Zeichen der Zeit richtig und berücksichtigen in ihren Konzepten die Beteiligung von Leserinnen und Leser. Das fördert das Verständnis für die gesellschaftliche Bedeutung und die Arbeitsweise von Medien. Aber es bleibt purer Idealismus, es sind Strohfeuer, solange es keine wirtschaftliche Sicherung gibt.

Wir brauchen Medienvielfalt dringender denn je

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk bleibt gerade in der aktuellen Situation unverzichtbar. Aber abgesehen von durchaus lobenswerten Nischenprodukten wie Funk und heute plus ist die Innovationskraft des Riesenapparats bescheiden. Fundamental Neues kann offenbar nur außerhalb bestehender Strukturen gedeihen.

Ich als Gebührenzahler jedenfalls habe ein großes Interesse daran, dass am Allgemeinwohl orientierte Medien Zielgruppen erreichen, die sich vom Fernsehen und vom Radio längst schon abgewandt oder qua später Geburt diese niemals zu schätzen gelernt haben. Für die Verteidigung demokratischer Grundwerte kann es gar nicht genug Medien geben.

Dafür gäbe ich von meinen Gebührenbeitrag auch gern mehr als fünf Prozent.

#Brüssel: Warum mir dieser Journalismus Angst macht

Das Mantra des etablierten Journalismus lautet: „recherchieren, analysieren, einordnen“. Mit solchem Ethos, mit fachlicher Expertise und fundierten Einschätzungen, will sich der sogenannte Qualitätsjournalismus absetzen vom oftmals oberflächlichen Gesummse in den sozialen Netzwerken. Doch was hat dieser postulierte Anspruch mit der Wirklichkeit zu tun? Wenig. Die mediale Begleitung der heutigen Terroranschläge in Brüssel liefert dafür erschütternde Beispiele. Wieder einmal.

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Verstaatlicht den Journalismus! Sofort!

Wenn Kunden nicht jene Dinge konsumieren, die ihnen die Industrie anbietet, ist es hierzulande gute Sitte, dass die Wirtschaft nach staatlicher Hilfe ruft. In deren Genuss kamen so z.B. die Solar- und Autoindustrie („Abwrackprämie“). Fette Subventionen für die Verbraucher ließen die Nachfrage explodieren und die Konzernkassen ohrenbetäubend klingeln. Am Ende waren alle zufrieden. Weiterlesen

Was ist uns Journalismus noch wert?

Das kennen wir schon lange: Dass in den Lokalredaktionen nach und nach die Lichter ausgehen. Und spätestens seit dem Sommer liegen auch bei den sogenannten Leitmedien in den Großverlagen die Nerven blank. Was an Erlösen stetig verloren geht, sollen immer rabiatere Sparprogramme wettmachen. Verlagskaufleute, Redakteur/innen und Branchenkommentatoren werden nicht müde, tatenlos und variantenreich die Krise zu kommentieren und sich auf Fachtagungen und in der Blogosphäre gemeinsam eine stockdunkle Zukunft vorherzusagen. Soweit, so schlecht. Das kennen wir.

Aber wen interessiert´s?

Was ich meine: Kurioserweise haben es ausgerechnet die Journalisten geschafft, den Existenzkampf ihres Gewerbes bis zum heutigen Tag vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Das Zielpublikum hat keine Ahnung, unter welchen zunehmend schlechten Bedingungen Zeitungen und Zeitschriften entstehen. Und sie wissen nicht, was für unsere demokratisch verfasste Zivilgesellschaft auf dem Spiel steht, wenn der kritische Qualitätsjournalismus verschwindet.

Hat man je davon gehört, dass eine/n Journalist/in bei der Entgegennahme eines dieser zahllosen Journalistenpreise die Chance genutzt hätte, in der Dankesrede dem Publikum reinen Wein einzuschenken? Ihm mitzuteilen, dass in vielen Regionen hierzulande die Meinungsvielfalt verloren gegangen ist? Dass ökonomische und politische Abhängigkeiten die Kritikmöglichkeiten der Journalisten zunehmend einschränken? Dass Zeitdruck als Folge von Arbeitsüberlastung Journalisten daran hindert, tiefer in wichtige Themen einzusteigen, länger dranzubleiben?

Nun mag man entgegnen: Muss das die Verbraucher des Produkts Journalismus überhaupt interessieren? Ich meine, ja!

Eine Zeitung oder eine Zeitschrift ist kein beliebiges Werkstück. Die Inhalte werden in den meisten Fällen von Menschen gemacht, die ihren Beruf als Berufung verstehen. Die Journalisten geworden sind, weil sie mit ihren Berichten etwas bewegen wollen. Im Großen und im Kleinen. Mit dieser Haltung versehen viele Redakteurinnen und Redakteure als vierte Gewalt ihren Dienst an der Gesellschaft. Das hat Ewigkeiten so funktioniert. Jetzt funktioniert es nicht mehr.

Und nun rächt es sich, dass die Journalist/innen niemals Anstrengungen unternommen haben, die Gesellschaft über die Wichtigkeit ihres Tuns zu informieren und über den Aufwand, den sie treiben, um den Anforderungen gerecht zu werden. Welcher Konsument vermag sich auszumalen, wieviel redaktionelles und finanzielles Investment nötig ist, um eine einzige Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung herzustellen, für die man vielleicht zwei Euro bezahlt?

Wie sollen Laien ahnen, dass der Qualitätsjournalismus in der Krise steckt: angesichts von Zeitungs- und Zeitschriftenregalen, in denen niemals mehr Titel vertreten waren als heute? Angesichts des Nachrichten-Überflusses im Internet, zu dem auch jene Medienmarken kräftig kostenlos zuliefern, die gleichzeitig ihre Redaktionen aus Ertragsgründen ausdünnen.

Was ich meine: Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über die Systemrelevanz des kritischen Journalismus in einer Demokratie! Und damit gekoppelt eine Diskussion darüber, ob und wie man dem systemrelevanten kritischen Journalismus – außerhalb der Öffentlich-Rechtlichen – finanziell unter die Arme greifen sollte. Die Debatte muss aus der Branchen-Bubble hinaus in die Weite der Öffentlichkeit – und in die Arenen der Politik!

Dass die Großverlage bei ihrer Suche nach Alternativen zum Geschäftsmodell „Anzeigen, Abos, Einzelverkauf“ jemals erfolgreich sein werden, erscheint mir von Jahr zu Jahr unwahrscheinlicher. Umso größere Aufmerksamkeit verdienen die journalistischen Neuerscheinungen, die vor allem seit dem Sommer und vor allem im Internet an den Start gegangen sind – mit teilweise hohen ethischen Ansprüchen. Und hohen wirtschaftlichen Risiken.

Die Nachfrage wird entscheiden, welche Medien-Startup sich erfolgreich behaupten werden und welche nicht. Aber die Auslese sollte man nicht gänzlich dem Markt allein überlassen. Anspruchsvoller Journalismus ist stets ein Minderheitenprogramm gewesen. Und sollte uns so schützenswert sein wie etwa arte im Fernsehen – finanziell gesehen.

Aber wer entscheidet, was subventioniert wird und was nicht? Und woher kommt das Geld? Wie lässt sich journalistische Unabhängigkeit gegen Drittmittelgeber verteidigen? Das sind Fragen, die in den angemahnten breiten Diskurs gehören. Einfache Lösungen wird es nicht geben. Schnelle gewiss auch nicht. Aber je länger wir warten, desto irreparabler werden die Schäden.

Das Netzwerk Recherche hat eine Kampagne gestartet, um Journalismus als gemeinnützig und damit förderungswürdig anerkennen zu lassen. Also einen Status einzufordern, den etwa Hobbyfunker und Schrebergartenvereine längst haben. Die Gemeinnützigkeit könnte Startups neue Finanzierungschancen eröffnen. (https://netzwerkrecherche.org/nonprofit)

Eine erfahrene Stiftungsjuristin sagte mir, dieser Vorstoß habe aus ihrer Sicht keine Chance. Auch weil nicht erklärbar sei, warum der Journalismus gemeinnützig sein sollte, die Gesellschaft also von ihm profitiere. Um diese Einstellung ins Positive zu wandeln, bedürfe es einer gesellschaftlichen und politischen Diskussion. Und eines langen Atems.

Wer macht mit?

Linktipp
Im Medienmagazin Zapp des NDR-Fernsehens durfte ich etwas über stiftungsfinanzierten Journalismus sagen:
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Neue-Wege-Stiftungsjournalismus-,stiftungsjournalismus102.html

Sollen sich Stiftungen um den Journalismus sorgen?

Wenn es um stiftungsfinanzierten Journalismus geht, hat die Medienbranche eine merkwürdig widersprüchliche Haltung. Da wird zum Beispiel Pro Publica (http://www.propublica.org), die Internet-Plattform für investigativen Journalismus, seit Jahren dafür gepriesen, dass die Amerikaner vormachten, wie „guter“ Journalismus vielleicht doch noch eine Zukunft haben könnte. Doch dass Pro Publica aus Stiftungsmitteln finanziert wird, dass der Guardian trotz Wikileaks und Snowden pleite wäre ohne Stiftungsgelder – das wird selten thematisiert. Denn die deutsche Medienbranche scheut Stiftungsmodelle wie der Teufel das Weihwasser. Warum?

Regionalzeitungen im Ausverkauf
Die Antwort ist vielschichtig. Zunächst einmal begünstigt die Krise die Monopolisierung im Bereich der Regionalblätter. Anders als die häufig noch in Familienbesitz befindlichen Provinzverlage verdienen die Printriesen nach wie vor gutes Geld, mit Umsatzrenditen zwischen 10 und 20 Prozent. Weil den kleinen Wettbewerbern aber das Wasser bis zum Hals steht, können die Großen sie billig vom Markt kaufen. Dass sie sich Interventionen von Dritten, etwa zugunsten des Lokaljournalismus, streng verbitten, liegt deshalb auf der Hand. Es würde ihr Geschäft vermasseln.

Eine Medienstiftung in NRW
Viele Journalisten wiederum lehnen die Stiftungsfinanzierung ab, weil sie Verhältnisse wie in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fürchten. Also politische Einflussnahme auf Themen und Personal. Deshalb verwundert es nicht, dass die jüngst vom Düsseldorfer Landtag durchgewunkene Medienstiftung „Partizipation und Vielfalt“ (http://www.landesmediengesetz.nrw.de/node/11450), eine vom Staatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) (http://www.eumann.de) seit Jahren verfolgte Idee, von Verlagslenkern wie Journalisten gleichermaßen abgelehnt wird. Hier sieht man gar die Pressefreiheit attackiert, weil man der NRW-Regierung zutraut, via Stiftungsschecks die Redaktionen zu infiltrieren.

Bedrohen Drittmittelgeber die Pressefreiheit?
Angesichts eines Etats von gerade mal 1,2 Mio. Euro wirkt der Verdacht arg überzogen. Pessimisten sehen allerdings einen Sündenfall, der in den nächsten Jahren durch höhere Budgets wirkungsmächtiger werden könnte. Aber auch das erscheint unrealistisch: Selbst bei großzügiger Unterstützung könnte der Dritte Sektor, also der Stiftungsbereich, weniger als ein Prozent des hiesigen Medienumsatzes finanzieren. Das reicht nicht aus, die Pressefreiheit zu untergraben. Aber auch nicht, den Qualitätsjournalismus in Deutschland zu retten.

Ein schleppender Rettungsversuch
Wichtiger als die Quantität ist deshalb die Qualität journalistischer Förderprojekte. Bei der NRW-Stiftung „Partizipation und Vielfalt“ steht freilich zu befürchten, dass dort der Amtsschimmel müde durch die Flure schlurfen wird. Verwalten soll die Stiftung nämlich die Landesmedienanstalt. Die wiederum stellt gerade erst ein Aufsichtsgremium zusammen, in dem die unvermeidlichen gesellschaftlichen Gruppen paritätisch repräsentiert sein sollen. Erst danach will man sich eine Satzung geben, die auch festlegt, was die Stiftung Gutes tun soll. – Ein entschlossenes Einsatzkommando zur Rettung der Medienvielfalt sieht anders aus…

Deutsches Pro Publica gegründet
Mehr Aufmerksamkeit sollte man deshalb correct!v (https://www.correctiv.org) schenken, dem „ersten gemeinnützigen Recherchebüro im deutschsprachigen Raum“. Die Stiftung der Verlegerfamilie Brost hat dafür drei Millionen Euro gegeben. Warf man den “Krautreportern“ Großspurigkeit bei der Formulierung ihrer Mission vor („Der Online-Journalismus ist kaputt. Wir kriegen das wieder hin“), so mangelt es auch den Correct!v-Gründern um David Schraven und Daniel Drepper (http://www.danieldrepper.de) nicht an Selbst- und Sendungsbewusstsein. Nur haben sie tatsächlich ein reflektiertes Konzept. Es beinhaltet neben journalistischer Leistung „auch ein Bildungsprogramm, um die Methoden des aufklärenden Journalismus weiterzugeben“. Das correct!v-Team hat keine Angst vor Stiftungsgeld und legt auf seiner Homepage dar, wie man Einflussnahme auf die Berichterstattung verhindern will. Dass Pro Publica Pate stand, ist unübersehbar. Und ein gutes Zeichen, wie ich finde.

Stiftungen wollen nicht per se fördern
Nun endet dieser Beitrag mit einer unerwarteten Pointe: Dass sich Verlagslobbyisten und meinungsstarke Journalisten leidenschaftlich gegen stiftungsfinanzierten Journalismus wehren, ist eigentlich unnötig. Denn die weitaus meisten der mehr als 20 000 deutschen Stiftungen denken gar nicht daran, Journalismus zu fördern!

Nur eine Marktbereinigung?
In der Bewertung der Lage unterscheiden sie sich oft kaum vom Otto Normalleser: Der Mediensektor müsse sich eben veränderten Märkten anpassen, wie zuvor schon andere Branchen. Am Ende würden immer noch ein paar Titel übrigbleiben, die Qualitätsjournalismus produzieren. Den Rest liefert „das Internet“.

Journalisten taugen nicht als Lobbyisten in eigener Sache
Die schätzungsweise hundertfünfzig Journalisten, die jährlich von Stiftungen mit gut dotierten Preisen dekoriert werden, täten gut daran, in ihren Dankesreden das Publikum aufzuklären, dass Qualitätsjournalismus ein buchstäblich kostbares Gut ist. Dessen Herstellung und Vertrieb Geld kostet. Dessen Funktion als „Vierte Gewalt“ in der demokratisch verfassten Gesellschaft unersetzbar ist. Und dass das regelmäßige Erscheinen von Spiegel und Zeit nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass Regionalzeitungen als Kontrollinstrument „der Mächtigen“ kaum noch Biss haben. Aber das tun sie nicht.

Die Krise interessiert nur wenige – außer Journalisten
In ihren leidenschaftlich selbstreferentiellen Diskussionen übersehen Journalisten, dass „die Krise“ außerhalb der Medien-Blase überhaupt kein Thema ist. Auch deshalb wächst die Zahl der Stiftungen nur zögerlich, die den Erhalt des kritischen Journalismus als gesellschaftliche Herausforderung begreifen – und deshalb als eine mögliche Aufgabe für Stiftungen.

Stiftungen sollten eine gemeinsame Haltung entwickeln
(Finanzielle) Wunder sind von ihnen nicht zu erwarten! Stiftungen sind naturgemäß keine Venture-Kapitalisten. Sie sind mit ihrer finanziellen Förderung individuellen Satzungszielen unterworfen. Trotzdem scheint es mir an der Zeit, dass sie als Repräsentanten der Zivilgesellschaft sich mit der Zukunft des kritischen Journalismus befassen. Nicht um erodierende Geschäftsfelder zu subventionieren. Sondern um die Zukunft einer Gesellschaft zu sichern, die auf eine funktionierende Vierte Gewalt angewiesen ist.

Und da können auch gute Ideen manchmal mehr bewirken als Geld.

Was lehrt uns das Scheitern der #Krautreporter?

Schon immer war meckern einfacher als gestalten. Im Meckern sind Journalisten stark. Im Gestalten eher weniger. Die Innovationsfähigkeit der (Online-)Redaktionen spricht für sich.

Deshalb dürfte den Krautreportern von Anfang an klar gewesen sein, dass, sobald sie sich mit ihrem Crowdfunding-Projekt aus der Deckung wagen, sie von massiver Kritik heimgesucht würden. So kam es auch. Nachdem eine haushohe Welle ungestümer Spendenbereitschaft nach wenigen Tagen abflachte, bekamen die Sprötenkieker wieder Oberwasser.

Sie repetieren in Endlosschleifen und nicht mehr zu zählenden Blogbeiträgen die immerselben Kritikpunkte: die Bezahlweise, den geringen Frauen- und Migrantenanteil in der Redaktion, die eitle Selbststilisierung in Wort und Video, das Club-Konzept für Abonnenten. Sie finden den Namen Krautreporter blöd und der Medienblogger Thomas Knüwer fordert sogar mehr sichtbare Begeisterung auf Seiten der Initiatoren (nicht etwa faire Zurückhaltung auf Seiten der Kritiker): „Das alles wirkt so larifarischeißegal (…).“

Zweifellos hatten die Krautreporter ihre Hausaufgaben nicht professionell genug erledigt, bevor sie an den Start gingen. Ausgerechnet im Marketing wurden Fehler gemacht, so dass es nun immer unwahrscheinlicher wird, dass das Ziel von 900 000 Euro bis zum 13. Juni erreicht wird. Bevor das Netz aber mit Nachrufen und Abgesängen verstopft sein wird, will ich in fünf Punkten mein Zwischenfazit der „Utopie Krautreporter“ ziehen.

1) Kein anderes journalistisches Crowdfunding-Projekt in Deutschland hat bislang eine vergleichbar große Spendensumme generieren können.

2) Eine Redaktion als Kollektiv zu betreiben, in der jeder nach Gutdünken seine Lieblingsthemen bearbeitet, funktioniert nicht. Selbst die taz hat eine Organisationsstruktur und kommt nicht ohne Chefredaktion aus.

3) Es wurde bewiesen, dass journalistischer Idealismus zur Begründung eines Geschäftsbetriebs nicht ausreicht. Es geht nicht ohne das Know-how von Marketingexperten und Kaufleuten.

4) Wer 900 000 Euro Startkapital einsammeln will (oder mehr), braucht eine Mischfinanzierung: Crowdfunding, Venture Capital (im Idealfall max. 10 % pro Investor, um nicht von Einzelnen abhängig zu sein), transparente Kooperationen (z.B. Native Advertising).

5) Die Krautreporter-Kampagne hat vor allem Medienleute erreicht. Diese Zielgruppe ist viel zu klein, um eine große Summe via Crowdfunding einzusammeln. (Außerdem las ich jüngst in einer Studie, dass ein Drittel der Online-Redakteure kein Geld für die Inhalte ihres e i g e n e n Mediendienstes ausgeben würden!)

Wer in meiner tumblr-Vergangenheit wühlt, wird einen Beitrag finden, in dem ich dem Krautreporter-Projekt frühzeitig kaum Chancen vorhergesagt habe. Trotzdem habe auch ich 60 Euro zur Verfügung gestellt. Und ich werde es wieder tun, wenn die nächsten Journalistinnen und Journalisten sich aus der Deckung wagen, um ein neues ehrgeiziges Projekt anzuschieben. Ich hoffe, das passiert bald.

Meckerer hat die Branche genug. Was fehlt sind die Macher.

Damit ruinieren Journalisten ihre Glaubwürdigkeit

Es ist nicht zum Besten bestellt mit der Faktentreue, Relevanz und sachlich-moralischen Integrität im deutschen Tagesjournalismus. Darin waren sich die Teilnehmer einig, die am 13. Mai an einer Diskussionsveranstaltung des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher in Berlin teilnahmen, unter ihnen Ex-SPIEGEL-Chefredakteur Georg Mascolo; der Titel: „Skandalisierung und Hochfrequenz-Journalismus – Schaden für die Demokratie?“ Ein Debüt für mich: Zum ersten Mal seit meinem Wechsel aus der GEO-Redaktion in die Kommunikation der VolkswagenStiftung hat mich ein Thema zum Branchentreff gelockt.

Dass Lobbyisten wie ich sich freuen, wenn Medien ihre Mitteilungen verbreiten, dürfte niemanden verwundern. Verwundert war ich aber, dass genau dies immer lauter ausgerechnet von den Kommunikatoren beklagt wird: Dass die Medien, insbesondere Online-Dienste und Regionalzeitungen, ihre Pressemitteilungen häufig eins zu eins publizieren würden – unbearbeitet, unreflektiert, ohne kritische Nachfragen bei den Absendern. „Die Sitten verludern“, sagte einer auf dem Podium in Berlin.

Georg Mascolo hatte es trotz hanseatischer Gelassenheit schwer, das ethisch-moralische Selbstverständnis des Journalismus, das er politisch korrekt zu formulieren wusste, gegen die extrem widersprüchlichen Fallbeispiele aus der Kommunikationspraxis zu verteidigen.
“Herdentrieb” nannte Oliver Schumacher, Konzernsprecher der Deutschen Bahn, die Neigung der Medien, sich schnell gemeinsam auf ein Thema zu fokussieren. Bestärkt werde dieser Trend dadurch, dass sich insbesondere Regionalmedien an jene Themen dranhängen, die von den Leitmedien – FAZ, SZ, SPIEGEL etc. – gesetzt wurden.

Die freie Journalistin Merle Schmalenbach ergänzte: „Ich kenne Lokalredaktionen, da orientiert sich die überregionale Themensetzung an den Aufmachern eins bis drei bei SPIEGEL Online.“ Es sei auch billiger, bereits Recherchiertes nochmal aufzubereiten, als eigene Recherchen zu finanzieren oder Themen zu suchen – zumal Regionalzeitungen und Online-Dienste sich in der Regel keine Reporter, erst recht keine Korrespondenten mehr leisten können.

Falls solche Beobachtungen tatsächlich kennzeichnend sind für die Praxis in Regionalzeitungen, dann wird dort, nach einer Definition von Mascolo, „kein anständiger Journalismus“ produziert: „Wenn ein Autor zu mir sagt, ich hätte gern eine bessere Geschichte recherchiert, aber mir fehlte es an Zeit, dann lasse ich diese Entschuldigung nicht gelten. Erst wenn Fakten und thematische Durchdringung stimmen, kann man eine Bewertung durchführen. Als Journalist trägt man auch Verantwortung für die Folgen eines Artikels – beispielsweise für Personen und Unternehmen.“

Spontaner Widerspruch auf dem Podium: Man bescheinigte Mascolo Realitätsferne. Hans Mathias Keplinger, Empirischer Kommunikationsforscher an der Uni Mainz, sieht den Journalismus sogar „ in seinen Grundfesten erschüttert“. Die „völlig unsinnige“ Fixierung auf Seitenabrufe (Page Views), an denen wiederum Werbe-Erlöse hängen, habe etwa im Online-Journalismus einen Aktualisierungsdruck erzeugt, der dazu führt, dass „nicht mehr gefragt wird, was ist wahr, was ist relevant, was ist moralisch vertretbar?“. Stattdessen werde jede Menge „Schrott“ als Klicktreiber publiziert.

Auch die Einführung sogenannter Investigativ-Teams hat aus Sicht der Pressesprecher nicht zu einer Qualitätsverbesserung geführt, sondern eher zu einer Verschärfung. Bahn-Sprecher Oliver Schumacher, der sich nach eigenen Worten längst daran gewöhnt hat, „mindestens einmal im Monat“ im Fernsehen „vorgeführt zu werden“, berichtete von seinen Erfahrungen mit öffentlich-rechtlichen Investigativ-Journalisten: „Da bekommt man einen Katalog mit 50 Fragen, für deren Beantwortung kaum Zeit eingeräumt wird. Kein Anruf, kein Gespräch. Wenn ich die Fragen lese, weiß ich schon, was nach dem Willen der Journalisten bei der Sendung rauskommen soll. Dass die Bahn immer schuld sein muss, daran habe ich mich gewöhnt. Da kann ich antworten und argumentieren, wie ich will.“

Schumacher hatte auch ein Beispiel aus der Trickkiste der Fernsehjournalisten parat: „Da werden Sie aufgefordert, vor laufender Kamera ein bestimmtes Statement immer zu wiederholen. Und wenn Sie beim 15. Mal das Gesicht verziehen, weil Sie langsam ungeduldig werden, dann wird dieses Statement mit genervter Miene gesendet. darauf kann man sich hundertprozentig verlassen.“

Sogar Konzernmanager reagierten immer häufiger ratlos. „Warum senden die das, obwohl es gar nicht stimmt?“, werde Schumacher gefragt. Und ist froh, dass die Leitmedien die Skandalisierungsversuche der sogenannten Investigativ-Teams bislang niemals aufgegriffen haben. Auch bescheinigte man Reportern vom Schlage eines Leyendecker von der SZ tadelloses Handwerk. „Natürlich müssen wir uns auch der Kritik stellen. Natürlich ist nicht alles gut und richtig, was wir tun“, räumte Schumacher ein, „Aber hier geht es niemals um Aufklärung, aber immer um Entertainment.“

Schwarze Schafe? Negative Ausnahmen? Oder ist der Journalismus – zumindest im Online-Bereich und in den Regionalzeitungen – tatsächlich in der Selbstauflösung begriffen?
Wiederholter Applaus und häufiges Kopfnicken bei den gut 200 versammelten Pressesprecher/innen, zumal bei den Schilderungen von Negativ-Erfahrungen, legen den Schluss nahe, dass die Entprofessionalisierung im Journalismus tatsächlich Fahrt aufnimmt. Personalisierung, Emotionalisierung und Skandalisierung werden vermehrt als Stilmittel eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Hektik verhindert Reflexion. Wettbewerbsdruck trübt den Blick auf die Verhältnismäßigkeit. Und das Internet ermöglicht die Rund-um-die-Uhr-Publikation, was den Zeitdruck für alle Beteiligten – Pressesprecher wie Journalisten – auf ein bislang ungekanntes Maß hochgeschraubt hat.

Was wurde auf diesem Weg bisher gewonnen? „Leser und Industrie entziehen Print-Medien weiterhin die Gunst“, sagte Tilman Kruse, Sprecher des Deutschen Presserats und Justiziar bei Gruner + Jahr. Man verliert also ungebremst Abos und Anzeigen. Die volatilen Erregungszustände im deutschen Journalismus waren dem Geschäft bisher keineswegs zuträglich. Vielleicht droht sogar noch mehr Unheil: Wenn die Leser merken, wieviel unseriöse Information ihnen täglich zugemutet wird.

Wann werden es Medien wagen, aus diesem Teufelskreis auszubrechen und das Tempo zu drosseln? Sie würden sich, glaube ich, um die Glaubwürdigkeit des Journalismus verdient machen. Die steht nämlich auf dem Spiel.

Dass alle Diskutanten am Schluss betonten, dass die meisten Journalisten nach wie vor einen ordentlichen Job machen, klang mehr als bemüht. Das konnte meine Stimmung an diesem Abend nicht mehr aufheitern.

Journalismus braucht Wut und keine Demut!

Unter Deutschlands Arbeitnehmern verstanden sich Journalisten bislang als eine Art auserwähltes Volk. Sie beanspruchen das Privileg, den Mitmenschen die Zeitläufte zu deuten. Sie heben und senken die Daumen über den Leistungen von Politikern, Wirtschaftsführern, Wissenschaftlern – und beeinflussen vom Schreibtisch aus Karrieren und Schicksale. Bilden sie Jagdgemeinschaften, wie etwa in der Causa Christian Wulff, ist man froh, nicht selbst in ihrem Fadenkreuz zu stehen. Journalisten haben Spaß an ihrer Macht. Dass diese nur geborgt ist und sich aus der Reichweite ihrer Medien ableitet, schmälert nicht das Selbstbewusstsein. Ein Hang zur Überheblichkeit ist in der Branche verbreitet. Ich weiß, wovon ich rede. Ich war über 20 Jahre lang Magazinjournalist.

Doch es scheint, als sei die Ära der Hoppla-jetzt-komm-ich-Journalisten abrupt zu Ende gegangen. In der Hoodie-Debatte der letzten Wochen tauchte wiederholt ein Begriff auf, der mir im Kontext meiner früheren journalistischen Tätigkeit niemals untergekommen ist: „Demut“. Journalisten sollten, so forderten Essayisten im Netz, in der ZEIT, in der FAZ, „demütiger“ werden: gegenüber ihren Kollegen – bezogen auf das Verhältnis zwischen Print- und Online-Ressorts – und gegenüber ihren Kunden, der sogenannten Öffentlichkeit.

Wenn Journalisten neuerdings Demut predigen, dann bereichert diese Haltung aus meiner Sicht die Medienkrise um ein weiteres Symptom. Man duckt sich weg, um nirgends anzuecken. Nachvollziehbar, wenn man um seinen Job fürchtet. Einerseits. Andererseits passt Demut schlüssig in das Bild, das der Journalismus zur Zeit an Außenstehende vermittelt: Die Branche selbst arbeitet an ihrem Bedeutungsverlust.

Mit sturem Blick auf die eigene Befindlichkeit wird gedruckt und digital heftig debattiert und um Visionen gerungen. Natürlich ist diese Diskussion um neue Geschäftsmodelle und Medienformate unerlässlich, damit der Journalismus seine Zukunft sichert. Was in den Branchenforen aber ausgeklammert wird, ist die Haltung der Verbraucher. Denen mangelt es nämlich völlig an Bewusstsein für Qualitätsjournalismus. Warum? Weil die Journalisten es versäumt haben, ein öffentliches Bewusstsein für Qualitätsjournalismus aufzubauen. Dabei sollte gerade in Krisenzeiten Eigen-PR ein Gebot der Stunde sein!

Wen interessiert es schon, außerhalb der Medienindustrie wohlgemerkt, dass der Journalismus in seiner gesellschaftlichen Funktion als Kontrollinstanz der Demokratie auf dem Rückzug ist? Wer kann wertschätzen, dass die Herstellung von gutem Journalismus Geld kostet und beispielsweise eine Zeitung folgerichtig einen Preis hat, wie jedes andere Produkt auch? – Die Gratiskultur, die Gleichförmigkeit der Nachrichten (die gleichen Aufmacher auf allen Tageszeitungen und Nachrichtenportalen), das hektische Durchreichen unausgegorener Politiker-Statements – mit all dem trägt der zeitgenössische Journalismus dazu bei, nicht mehr als anspruchsvolles Handwerk wahrgenommen zu werden. Wenn im Kielwasser der medialen Ermittlungen gegen Wulff wegen angeblicher Vorteilsnahme obendrein rauskommt, wie bedenkenlos Journalisten fragwürdige Vorteile in Anspruch nehmen, etwa Presserabatte, ist die Selbstdemontage perfekt. Konsequent markieren daher Journalisten das Ende auf der Wertschätzungsskala für Berufe in Deutschland. Joschka Fischer soll sie schon vor langer Zeit „Fünf-Mark-Nutten“ genannt haben.

Wie konnte es so weit kommen?

Vor dem „Sturmgeschütz der Demokratie“ hat keiner mehr Angst. Wie sich die Machtverhältnisse verschoben haben, wird in den Fernsehnachrichten deutlich, aber beileibe nicht nur dort: Routiniert fertigen Politiker schemenhaft wahrzunehmende Mikrofonhalter (handelt es sich um „demütige“ Journalisten?) mit phonetischen Modulen aus ihren Satzbaukästen ab. Kritische Nachfragen? In der Regel Fehlanzeige.

Der wachsende Druck, der auf den Berichterstattern lastet – immer mehr Schlagzeilen in immer kürzerer Zeit, immer mehr Konkurrenz auf immer mehr Kanälen – spielt den Eliten in die Hand. Sie haben kapiert, wie man Journalisten instrumentalisiert und manche auch als Steigbügelhalter missbraucht, um mit den eigenen Themen ganz groß rauszukommen. Nie war die Macht der Medien fiktiver als heute.

Es ist nicht zu spät, aber höchste Zeit, dass der Journalismus zu seinem früheren Selbstbewusstsein zurückfindet, Krise hin oder her. Und dass er seine eigene Bedeutung genauso selbstbewusst in die breite Öffentlichkeit trägt, als Lobbyist in eigener Sache. Mit Blick auf die Zukunft kann man gewiss über alles streiten. Nur in einem Punkt dürfte Übereinstimmung herrschen: Ohne Geld wird es nicht gehen. Geld, das Medienhäuser ihren angestellten und freien Journalisten für anspruchsvolle Arbeit zahlen. Geld, das Medienkonsumenten auch deshalb gern entrichten, weil sie verstanden haben, dass Journalismus kostet und zugleich einen Wert darstellt – nicht nur ökonomisch, sondern auch für die Gesellschaft. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Naiv? Pathetisch? Mag sein. Aber denkt doch trotzdem mal darüber nach, liebe Journalist(innen). Und tut mir einen Gefallen:

Predigt nie wieder Demut!

Stiftungsfinanzierter Journalismus

Die Diskussion über die so genannte Krise im so genannten Qualitätsjournalismus hat naturgemäß viele Facetten. Die Frage nach der Finanzierung ist eine davon, gewiss sogar eine wichtige. Dass die Publikumsverlage ihre Verluste im Printbereich nicht durch Werbe-Einnahmen im Online-Bereich ausgleichen können, gilt als bewiesen. Deshalb suchen sich die großen Häuser nach neuen Geschäftsfeldern, die nichts mehr mit Journalismus zu tun haben: Burda verkauft u.a. Tierfutter; Springer betreibt Immobilienportale.

Die neuen Mischfinanzierungsmodelle haben allerdings nicht die Sorge gemildert, dass wirtschaftliche Grenzen die Ausübung von so genanntem Qualitätsjournalismus künftig drastisch erschweren könnten. Tatsächlich werden fast wöchentlich Redaktionen reduziert, die Arbeitslast nimmt zu, die Zeit für Recherchen ab. Und noch ist ein Ende des Sparkurses gar nicht abzusehen.

Um das Implodieren des Geschäftsmodells “Journalismus” zu verhindern, wird der Ruf nach alternativen Finanzierungskonzepten laut. Kultur-Flatrate, Crowdsourcing, aber auch die Förderung durch Stiftungen, werden heftig diskutiert – demnächst auch auf der WissensWerte in Bremen!

„Wie retten wir den Journalismus“ lautet die Panel-Diskussion am 25.11.2013, 14.30 – 16.00 Uhr.

In meiner beruflichen Eigenschaft als Kommunikationsleiter der VolkswagenStiftung, Deutschlands größter privater Wissenschaftsförderin, darf ich in der Runde den Part der Stiftungen übernehmen.

Habt ihr Anregungen für das Panel? Dann bitte her mit Fragen, Ideen, Kommentaren!