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Sollen sich Stiftungen um den Journalismus sorgen?

Wenn es um stiftungsfinanzierten Journalismus geht, hat die Medienbranche eine merkwürdig widersprüchliche Haltung. Da wird zum Beispiel Pro Publica (http://www.propublica.org), die Internet-Plattform für investigativen Journalismus, seit Jahren dafür gepriesen, dass die Amerikaner vormachten, wie „guter“ Journalismus vielleicht doch noch eine Zukunft haben könnte. Doch dass Pro Publica aus Stiftungsmitteln finanziert wird, dass der Guardian trotz Wikileaks und Snowden pleite wäre ohne Stiftungsgelder – das wird selten thematisiert. Denn die deutsche Medienbranche scheut Stiftungsmodelle wie der Teufel das Weihwasser. Warum?

Regionalzeitungen im Ausverkauf
Die Antwort ist vielschichtig. Zunächst einmal begünstigt die Krise die Monopolisierung im Bereich der Regionalblätter. Anders als die häufig noch in Familienbesitz befindlichen Provinzverlage verdienen die Printriesen nach wie vor gutes Geld, mit Umsatzrenditen zwischen 10 und 20 Prozent. Weil den kleinen Wettbewerbern aber das Wasser bis zum Hals steht, können die Großen sie billig vom Markt kaufen. Dass sie sich Interventionen von Dritten, etwa zugunsten des Lokaljournalismus, streng verbitten, liegt deshalb auf der Hand. Es würde ihr Geschäft vermasseln.

Eine Medienstiftung in NRW
Viele Journalisten wiederum lehnen die Stiftungsfinanzierung ab, weil sie Verhältnisse wie in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fürchten. Also politische Einflussnahme auf Themen und Personal. Deshalb verwundert es nicht, dass die jüngst vom Düsseldorfer Landtag durchgewunkene Medienstiftung „Partizipation und Vielfalt“ (http://www.landesmediengesetz.nrw.de/node/11450), eine vom Staatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) (http://www.eumann.de) seit Jahren verfolgte Idee, von Verlagslenkern wie Journalisten gleichermaßen abgelehnt wird. Hier sieht man gar die Pressefreiheit attackiert, weil man der NRW-Regierung zutraut, via Stiftungsschecks die Redaktionen zu infiltrieren.

Bedrohen Drittmittelgeber die Pressefreiheit?
Angesichts eines Etats von gerade mal 1,2 Mio. Euro wirkt der Verdacht arg überzogen. Pessimisten sehen allerdings einen Sündenfall, der in den nächsten Jahren durch höhere Budgets wirkungsmächtiger werden könnte. Aber auch das erscheint unrealistisch: Selbst bei großzügiger Unterstützung könnte der Dritte Sektor, also der Stiftungsbereich, weniger als ein Prozent des hiesigen Medienumsatzes finanzieren. Das reicht nicht aus, die Pressefreiheit zu untergraben. Aber auch nicht, den Qualitätsjournalismus in Deutschland zu retten.

Ein schleppender Rettungsversuch
Wichtiger als die Quantität ist deshalb die Qualität journalistischer Förderprojekte. Bei der NRW-Stiftung „Partizipation und Vielfalt“ steht freilich zu befürchten, dass dort der Amtsschimmel müde durch die Flure schlurfen wird. Verwalten soll die Stiftung nämlich die Landesmedienanstalt. Die wiederum stellt gerade erst ein Aufsichtsgremium zusammen, in dem die unvermeidlichen gesellschaftlichen Gruppen paritätisch repräsentiert sein sollen. Erst danach will man sich eine Satzung geben, die auch festlegt, was die Stiftung Gutes tun soll. – Ein entschlossenes Einsatzkommando zur Rettung der Medienvielfalt sieht anders aus…

Deutsches Pro Publica gegründet
Mehr Aufmerksamkeit sollte man deshalb correct!v (https://www.correctiv.org) schenken, dem „ersten gemeinnützigen Recherchebüro im deutschsprachigen Raum“. Die Stiftung der Verlegerfamilie Brost hat dafür drei Millionen Euro gegeben. Warf man den “Krautreportern“ Großspurigkeit bei der Formulierung ihrer Mission vor („Der Online-Journalismus ist kaputt. Wir kriegen das wieder hin“), so mangelt es auch den Correct!v-Gründern um David Schraven und Daniel Drepper (http://www.danieldrepper.de) nicht an Selbst- und Sendungsbewusstsein. Nur haben sie tatsächlich ein reflektiertes Konzept. Es beinhaltet neben journalistischer Leistung „auch ein Bildungsprogramm, um die Methoden des aufklärenden Journalismus weiterzugeben“. Das correct!v-Team hat keine Angst vor Stiftungsgeld und legt auf seiner Homepage dar, wie man Einflussnahme auf die Berichterstattung verhindern will. Dass Pro Publica Pate stand, ist unübersehbar. Und ein gutes Zeichen, wie ich finde.

Stiftungen wollen nicht per se fördern
Nun endet dieser Beitrag mit einer unerwarteten Pointe: Dass sich Verlagslobbyisten und meinungsstarke Journalisten leidenschaftlich gegen stiftungsfinanzierten Journalismus wehren, ist eigentlich unnötig. Denn die weitaus meisten der mehr als 20 000 deutschen Stiftungen denken gar nicht daran, Journalismus zu fördern!

Nur eine Marktbereinigung?
In der Bewertung der Lage unterscheiden sie sich oft kaum vom Otto Normalleser: Der Mediensektor müsse sich eben veränderten Märkten anpassen, wie zuvor schon andere Branchen. Am Ende würden immer noch ein paar Titel übrigbleiben, die Qualitätsjournalismus produzieren. Den Rest liefert „das Internet“.

Journalisten taugen nicht als Lobbyisten in eigener Sache
Die schätzungsweise hundertfünfzig Journalisten, die jährlich von Stiftungen mit gut dotierten Preisen dekoriert werden, täten gut daran, in ihren Dankesreden das Publikum aufzuklären, dass Qualitätsjournalismus ein buchstäblich kostbares Gut ist. Dessen Herstellung und Vertrieb Geld kostet. Dessen Funktion als „Vierte Gewalt“ in der demokratisch verfassten Gesellschaft unersetzbar ist. Und dass das regelmäßige Erscheinen von Spiegel und Zeit nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass Regionalzeitungen als Kontrollinstrument „der Mächtigen“ kaum noch Biss haben. Aber das tun sie nicht.

Die Krise interessiert nur wenige – außer Journalisten
In ihren leidenschaftlich selbstreferentiellen Diskussionen übersehen Journalisten, dass „die Krise“ außerhalb der Medien-Blase überhaupt kein Thema ist. Auch deshalb wächst die Zahl der Stiftungen nur zögerlich, die den Erhalt des kritischen Journalismus als gesellschaftliche Herausforderung begreifen – und deshalb als eine mögliche Aufgabe für Stiftungen.

Stiftungen sollten eine gemeinsame Haltung entwickeln
(Finanzielle) Wunder sind von ihnen nicht zu erwarten! Stiftungen sind naturgemäß keine Venture-Kapitalisten. Sie sind mit ihrer finanziellen Förderung individuellen Satzungszielen unterworfen. Trotzdem scheint es mir an der Zeit, dass sie als Repräsentanten der Zivilgesellschaft sich mit der Zukunft des kritischen Journalismus befassen. Nicht um erodierende Geschäftsfelder zu subventionieren. Sondern um die Zukunft einer Gesellschaft zu sichern, die auf eine funktionierende Vierte Gewalt angewiesen ist.

Und da können auch gute Ideen manchmal mehr bewirken als Geld.