Das kennen wir schon lange: Dass in den Lokalredaktionen nach und nach die Lichter ausgehen. Und spätestens seit dem Sommer liegen auch bei den sogenannten Leitmedien in den Großverlagen die Nerven blank. Was an Erlösen stetig verloren geht, sollen immer rabiatere Sparprogramme wettmachen. Verlagskaufleute, Redakteur/innen und Branchenkommentatoren werden nicht müde, tatenlos und variantenreich die Krise zu kommentieren und sich auf Fachtagungen und in der Blogosphäre gemeinsam eine stockdunkle Zukunft vorherzusagen. Soweit, so schlecht. Das kennen wir.
Aber wen interessiert´s?
Was ich meine: Kurioserweise haben es ausgerechnet die Journalisten geschafft, den Existenzkampf ihres Gewerbes bis zum heutigen Tag vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Das Zielpublikum hat keine Ahnung, unter welchen zunehmend schlechten Bedingungen Zeitungen und Zeitschriften entstehen. Und sie wissen nicht, was für unsere demokratisch verfasste Zivilgesellschaft auf dem Spiel steht, wenn der kritische Qualitätsjournalismus verschwindet.
Hat man je davon gehört, dass eine/n Journalist/in bei der Entgegennahme eines dieser zahllosen Journalistenpreise die Chance genutzt hätte, in der Dankesrede dem Publikum reinen Wein einzuschenken? Ihm mitzuteilen, dass in vielen Regionen hierzulande die Meinungsvielfalt verloren gegangen ist? Dass ökonomische und politische Abhängigkeiten die Kritikmöglichkeiten der Journalisten zunehmend einschränken? Dass Zeitdruck als Folge von Arbeitsüberlastung Journalisten daran hindert, tiefer in wichtige Themen einzusteigen, länger dranzubleiben?
Nun mag man entgegnen: Muss das die Verbraucher des Produkts Journalismus überhaupt interessieren? Ich meine, ja!
Eine Zeitung oder eine Zeitschrift ist kein beliebiges Werkstück. Die Inhalte werden in den meisten Fällen von Menschen gemacht, die ihren Beruf als Berufung verstehen. Die Journalisten geworden sind, weil sie mit ihren Berichten etwas bewegen wollen. Im Großen und im Kleinen. Mit dieser Haltung versehen viele Redakteurinnen und Redakteure als vierte Gewalt ihren Dienst an der Gesellschaft. Das hat Ewigkeiten so funktioniert. Jetzt funktioniert es nicht mehr.
Und nun rächt es sich, dass die Journalist/innen niemals Anstrengungen unternommen haben, die Gesellschaft über die Wichtigkeit ihres Tuns zu informieren und über den Aufwand, den sie treiben, um den Anforderungen gerecht zu werden. Welcher Konsument vermag sich auszumalen, wieviel redaktionelles und finanzielles Investment nötig ist, um eine einzige Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung herzustellen, für die man vielleicht zwei Euro bezahlt?
Wie sollen Laien ahnen, dass der Qualitätsjournalismus in der Krise steckt: angesichts von Zeitungs- und Zeitschriftenregalen, in denen niemals mehr Titel vertreten waren als heute? Angesichts des Nachrichten-Überflusses im Internet, zu dem auch jene Medienmarken kräftig kostenlos zuliefern, die gleichzeitig ihre Redaktionen aus Ertragsgründen ausdünnen.
Was ich meine: Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über die Systemrelevanz des kritischen Journalismus in einer Demokratie! Und damit gekoppelt eine Diskussion darüber, ob und wie man dem systemrelevanten kritischen Journalismus – außerhalb der Öffentlich-Rechtlichen – finanziell unter die Arme greifen sollte. Die Debatte muss aus der Branchen-Bubble hinaus in die Weite der Öffentlichkeit – und in die Arenen der Politik!
Dass die Großverlage bei ihrer Suche nach Alternativen zum Geschäftsmodell „Anzeigen, Abos, Einzelverkauf“ jemals erfolgreich sein werden, erscheint mir von Jahr zu Jahr unwahrscheinlicher. Umso größere Aufmerksamkeit verdienen die journalistischen Neuerscheinungen, die vor allem seit dem Sommer und vor allem im Internet an den Start gegangen sind – mit teilweise hohen ethischen Ansprüchen. Und hohen wirtschaftlichen Risiken.
Die Nachfrage wird entscheiden, welche Medien-Startup sich erfolgreich behaupten werden und welche nicht. Aber die Auslese sollte man nicht gänzlich dem Markt allein überlassen. Anspruchsvoller Journalismus ist stets ein Minderheitenprogramm gewesen. Und sollte uns so schützenswert sein wie etwa arte im Fernsehen – finanziell gesehen.
Aber wer entscheidet, was subventioniert wird und was nicht? Und woher kommt das Geld? Wie lässt sich journalistische Unabhängigkeit gegen Drittmittelgeber verteidigen? Das sind Fragen, die in den angemahnten breiten Diskurs gehören. Einfache Lösungen wird es nicht geben. Schnelle gewiss auch nicht. Aber je länger wir warten, desto irreparabler werden die Schäden.
Das Netzwerk Recherche hat eine Kampagne gestartet, um Journalismus als gemeinnützig und damit förderungswürdig anerkennen zu lassen. Also einen Status einzufordern, den etwa Hobbyfunker und Schrebergartenvereine längst haben. Die Gemeinnützigkeit könnte Startups neue Finanzierungschancen eröffnen. (https://netzwerkrecherche.org/nonprofit)
Eine erfahrene Stiftungsjuristin sagte mir, dieser Vorstoß habe aus ihrer Sicht keine Chance. Auch weil nicht erklärbar sei, warum der Journalismus gemeinnützig sein sollte, die Gesellschaft also von ihm profitiere. Um diese Einstellung ins Positive zu wandeln, bedürfe es einer gesellschaftlichen und politischen Diskussion. Und eines langen Atems.
Wer macht mit?
Linktipp
Im Medienmagazin Zapp des NDR-Fernsehens durfte ich etwas über stiftungsfinanzierten Journalismus sagen:
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Neue-Wege-Stiftungsjournalismus-,stiftungsjournalismus102.html