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Aus für Spiegel Plus? Keiner kauft Nachrichten im Netz

Jochen Wegner, Chefredakteur von ZEIT ONLINE, hat es natürlich wieder vorhergesehen. Angesprochen auf das seinerzeit gerade eingeführte Bezahlmodell für Einzelartikel bei Spiegel Online („Spiegel Plus“), sagte er im August 2016 im Interview: „Was der Marktführer Spiegel derzeit testet, finde ich bemerkenswert. Ich glaube bis auf weiteres nicht, dass das zu wirklich relevanten Umsätzen führt – und gebe an der Ericusspitze mit Freuden eine Runde Bier aus, falls ich mich irre.“

Es scheint, dass Jochen Wegner sich die Zeche sparen kann. Jedenfalls berichtet die Medienjournalistin Ulrike Simon heute, das Paid Content-Modell habe offenbar die Erwartungen nicht erfüllt, und der Stuhl von SpOn-Chef Florian Harms würde wackeln.

Häme ist hier fehl am Platz. Besserwisserei auch. Aber diese Bemerkung sei erlaubt: Es verwundert schon, dass eine Nachrichten-Website glaubt, verkäufliche Inhalte zu produzieren. Wobei beim Modell „Spiegel Plus“ strafverschärfend hinzukommt, dass die meisten Inhalte aus dem Heft stammen und zumindest für Printleser schon tagelang auf dem Markt waren, bevor Spiegel Online auch seine Community dafür abkassieren will.

Häme ist hier auch deshalb fehl am Platz, weil die Medien selbstverständlich nur durch Experimente herausfinden können, wie sie sich in Zukunft refinanzieren. Dass Experimente scheitern, liegt in der Natur der Sache und verdient keinen Tadel. Dass man aber Irrwege nochmal beschreitet, um genauso zu scheitern wie die anderen vorher – das verwundert dann doch.

Was also hätte man aus den Erfahrungen anderer wissen können? Zumindest dies: Dass Nachrichtenjournalismus im Internet unverkäuflich ist! Es gibt kein Genre, dass an vergleichbarer Überproduktion leidet, kein Feld, in dem der Konkurrenzdruck höher ist, kein Journalismus, der austauschbarer wäre, keine Sparte, die in der Wertschätzung der Nutzer tiefer angesiedelt ist.

Auch nach 15 Jahren hat der Online-Nachrichtenjournalismus ein Deutschland ein Imageproblem. Die Ursachen dafür sind vielfältig und haben häufig weniger mit der Qualifizierung der Journalisten zu tun, sondern mit den Produktionsbedingungen. Ulrike Simon bringt das in einem etwas rüden Ton auf den Punkt: „Eine im Schichtbetrieb Meldungen schrubbende und auf Reichweite trainierte SpOn-Redaktion ist auch schwer auf Anspruch umzupolen.“

Dass Spiegel Online „auf Anspruch“ gepolt werden sollte, ist mir in den letzten Monaten ohnehin verborgen geblieben. Im Gegenteil: Eher registriere ich seit über einem Jahr mit wachsendem Unbehagen ein Ausfransen in Richtung Non-Nachrichten und Nonsens. Mit Inhalten, die häufig flink zusammenkuratiert wirken. Für mich hat die Marke Spiegel als Qualitätsversprechen erheblich an Ansehen verloren, das Profil ist verwässert – zumindest Online. Inzwischen bevorzuge ich faz.net und ZEIT ONLINE.

Ist es ein Alarmzeichen für andere Online-Marken, falls Spiegel Online mit seinen Inhalteverkäufen tatsächlich nicht erfolgreich sein sollte? Ich glaube nicht. Denn eigentlich wird nur bestätigt, was auch Jochen Wegner von Zeit Online weiß: Nachrichtenjournalismus ist kein Geschäftsmodell.

In den USA gibt es übrigens immer weniger – um Ulrike Simons Satz nochmal aufzugreifen – „im Schichtbetrieb Meldungen schrubbende“ Nachrichtenredakteure. Das erledigen inzwischen Nachrichtenroboter.

 

#Brüssel: Warum mir dieser Journalismus Angst macht

Das Mantra des etablierten Journalismus lautet: „recherchieren, analysieren, einordnen“. Mit solchem Ethos, mit fachlicher Expertise und fundierten Einschätzungen, will sich der sogenannte Qualitätsjournalismus absetzen vom oftmals oberflächlichen Gesummse in den sozialen Netzwerken. Doch was hat dieser postulierte Anspruch mit der Wirklichkeit zu tun? Wenig. Die mediale Begleitung der heutigen Terroranschläge in Brüssel liefert dafür erschütternde Beispiele. Wieder einmal.

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„Print und Online! Macht endlich gemeinsame Sache!“

Beim SPIEGEL brennt die (luxuriöse) Hütte, und wieder einmal ist die Rivalität zwischen Print- und Online-Redaktion ein Teil des Problems. Als Branchenveteran erinnere mich meiner eigenen frühesten Vorstöße in das Berufsfeld des Onlinejournalismus vor 15 Jahren und stelle so erstaunt wie schmerzhaft fest, dass augenscheinlich noch immer in keinem deutschen Großverlag zusammenwächst, was zusammengehören sollte. Print-Redakteure und Onliner betreiben Stellungskrieg statt Annäherung, verfechten eigene Positionen auf sehr, sehr hohen Rössern – und verspielen auf diese Weise die letzte Chance, mit vereinten Kräften dem überregionalen Qualitätsjournalismus eine Zukunft zu sichern.

Online hat sich entwickelt, die Vorurteile sind geblieben

So ist die Erinnerung an das ferne Jahr 2000, als ich aus der GEO-Print-Redaktion zum Online-Ableger wechselte, gleichsam ein Déjà-vu. Bis dahin wurde die Homepage von einem einzigen hauptberuflichen Producer verwaltet.  Ihm zugeordnet war, wie es sich für einen hierarchisch organisierten Großverlag gehört, ein hauptberuflicher Vorgesetzter. Dessen Hauptaufgabe war es, einmal pro Monat beim Print-CvD um Content-Nachschub in Form einer Heftreportage zu bitten. Die kam irgendwann als Word-Datei auf einer Diskette und wurde dann auf sechs, sieben HTML-Seiten bei GEO-Online publiziert. Mit datenschweren Fotos war man wegen der 56k-Telefonmodems damals noch zurückhaltend.

Oben und unten in der Verlagshierarchie

Aus heutiger Sicht kann man es Printjournalisten nicht verübeln, dass sie angesichts dieser frühen Evolutionsschritte das neue Medium nicht ernst nahmen. Und deren Werktätige auch nicht. Onlinejournalismus hatte von Anfang an das Image eines Paria-Jobs. Die Hysterie während der „Dotcom-Blase“ verunsicherte zwar kurzfristig, weil sich gleichsam über Nacht auch bei meinem damaligen Arbeitgeber Gruner + Jahr eine Zukunft nur noch im Digitalen vorstellen ließ. Doch nachdem die Kurs-Raketen an den Börsen verglüht waren und der Vorstand nur mühsam verbergen konnte, welche irrwitzigen Summen er fehlinvestiert hatte,  da war aus Sicht der Traditionalisten die gottgegebene Hierarchie wiederhergestellt: oben war Print, unten Online. Experiment beendet.

Wie vereint man das Beste zweier Welten?

All dessen war ich mir bewusst, als ich 2000 trotzdem das Angebot des Chefredakteurs annahm, das Printressort zu verlassen, um GEO.de auf- und auszubauen.  Von Anfang an hatte ich mich in dieser Rolle als leibhaftiges „Cross-Medium“ zwischen Print- und Online-Kollegien begriffen. Ich wollte das Beste zweier Welten in einem zukunftsfähigen Produkt synthetisieren und beharrlich für ein konstruktives Miteinander werben.

Mission Impossible?

Als ich Jahre später GEO.de verließ, hatte ich mit der Unterstützung enthusiastischer Kolleginnen und Kollegen viel erreicht – nur nicht die nachhaltige Annäherung von (riesiger) Print- und (kleiner) Online-Redaktion. Und ich behaupte – auch wenn auf Branchentagungen unermüdlich das Gegenteil behauptet wird -, dass diese Annäherung bis heute keiner Chefredaktion eines deutschen Großverlages gelungen ist; das offene Zerwürfnis beim SPIEGEL ist ein aktueller Beleg.

Steigt von euren hohen Rössern!

Ich frage mich: Wie lange will sich die Zunft den Luxus der gegenseitigen Ignoranz noch leisten? Allerdings frage ich mich auch, ob sich die chronische Verspannung überhaupt noch lösen lässt? Es scheint, als hätte sich das Gros der Beteiligten mit seinen Ressentiments gemütlich eingerichtet und würde diese beharrlich pflegen.  Wer bereits im Internet beruflich unterwegs ist, behandelt zögerliche Skeptiker im Print-Reich wie Idioten. Und die Print-Journalisten der überregionalen Tageszeitungen und Magazine reklamieren weiterhin für sich, „echten“ Journalismus zu betreiben, während man die Onliner als Leichtmatrosen behandelt.

Start ups machen vor, wie es besser sein könnte

Dass sich in 15 Jahren so wenig geändert hat im Mit- und Gegeneinander beider Gruppen stimmt mich für die Zukunft deshalb wenig optimistisch. Zumindest für die Zukunft des Journalismus in den Großverlagen. Denn in den Start-ups, die (junge) Journalisten derzeit so zahlreich gründen wie nie zuvor, gewiss zum Teil auch notgedrungen, ist das Blockdenken überwunden. Wer alles daran setzt – setzen muss! – ein Publikum dauerhaft zu begeistern und zu binden, denkt von vornherein crossmedial.

Macht Geld träge?

Vielleicht ist der Kulturkampf zwischen Print- und Online ja auch bloß wieder eine Frage des Geldes. Auch beim SPIEGEL. Denn offenbar gibt es eine enge Relation zwischen festem Monatseinkommen und persönlicher Innovationsfähigkeit. So lange das Konto zu jedem Ersten verlässlich gefüllt ist, lahmt der Wille zum Wandel. Ist das Geld aber gefährdet ist man plötzlich zu vielem fähig. Vielleicht ja auch zur Kooperation mit jenen, die man vorher noch als Gegner betrachtet hat?

So gesehen könnte die Medienkrise am Ende vielleicht doch noch eine gemeinsame Anstrengung von Print und Online auslösen. Für die Zukunftssicherung des „großen“ Qualitätsjournalismus ist es die letzte Chance.

Weiterer Blogbeitrag von mir zu diesem Themenfeld:

Warum Großverlage keine Innovation können

http://www.carta.info/71201/warum-grosverlage-keine-innovationen-konnen/

Was lehrt uns das Scheitern der #Krautreporter?

Schon immer war meckern einfacher als gestalten. Im Meckern sind Journalisten stark. Im Gestalten eher weniger. Die Innovationsfähigkeit der (Online-)Redaktionen spricht für sich.

Deshalb dürfte den Krautreportern von Anfang an klar gewesen sein, dass, sobald sie sich mit ihrem Crowdfunding-Projekt aus der Deckung wagen, sie von massiver Kritik heimgesucht würden. So kam es auch. Nachdem eine haushohe Welle ungestümer Spendenbereitschaft nach wenigen Tagen abflachte, bekamen die Sprötenkieker wieder Oberwasser.

Sie repetieren in Endlosschleifen und nicht mehr zu zählenden Blogbeiträgen die immerselben Kritikpunkte: die Bezahlweise, den geringen Frauen- und Migrantenanteil in der Redaktion, die eitle Selbststilisierung in Wort und Video, das Club-Konzept für Abonnenten. Sie finden den Namen Krautreporter blöd und der Medienblogger Thomas Knüwer fordert sogar mehr sichtbare Begeisterung auf Seiten der Initiatoren (nicht etwa faire Zurückhaltung auf Seiten der Kritiker): „Das alles wirkt so larifarischeißegal (…).“

Zweifellos hatten die Krautreporter ihre Hausaufgaben nicht professionell genug erledigt, bevor sie an den Start gingen. Ausgerechnet im Marketing wurden Fehler gemacht, so dass es nun immer unwahrscheinlicher wird, dass das Ziel von 900 000 Euro bis zum 13. Juni erreicht wird. Bevor das Netz aber mit Nachrufen und Abgesängen verstopft sein wird, will ich in fünf Punkten mein Zwischenfazit der „Utopie Krautreporter“ ziehen.

1) Kein anderes journalistisches Crowdfunding-Projekt in Deutschland hat bislang eine vergleichbar große Spendensumme generieren können.

2) Eine Redaktion als Kollektiv zu betreiben, in der jeder nach Gutdünken seine Lieblingsthemen bearbeitet, funktioniert nicht. Selbst die taz hat eine Organisationsstruktur und kommt nicht ohne Chefredaktion aus.

3) Es wurde bewiesen, dass journalistischer Idealismus zur Begründung eines Geschäftsbetriebs nicht ausreicht. Es geht nicht ohne das Know-how von Marketingexperten und Kaufleuten.

4) Wer 900 000 Euro Startkapital einsammeln will (oder mehr), braucht eine Mischfinanzierung: Crowdfunding, Venture Capital (im Idealfall max. 10 % pro Investor, um nicht von Einzelnen abhängig zu sein), transparente Kooperationen (z.B. Native Advertising).

5) Die Krautreporter-Kampagne hat vor allem Medienleute erreicht. Diese Zielgruppe ist viel zu klein, um eine große Summe via Crowdfunding einzusammeln. (Außerdem las ich jüngst in einer Studie, dass ein Drittel der Online-Redakteure kein Geld für die Inhalte ihres e i g e n e n Mediendienstes ausgeben würden!)

Wer in meiner tumblr-Vergangenheit wühlt, wird einen Beitrag finden, in dem ich dem Krautreporter-Projekt frühzeitig kaum Chancen vorhergesagt habe. Trotzdem habe auch ich 60 Euro zur Verfügung gestellt. Und ich werde es wieder tun, wenn die nächsten Journalistinnen und Journalisten sich aus der Deckung wagen, um ein neues ehrgeiziges Projekt anzuschieben. Ich hoffe, das passiert bald.

Meckerer hat die Branche genug. Was fehlt sind die Macher.

Journalismus braucht Wut und keine Demut!

Unter Deutschlands Arbeitnehmern verstanden sich Journalisten bislang als eine Art auserwähltes Volk. Sie beanspruchen das Privileg, den Mitmenschen die Zeitläufte zu deuten. Sie heben und senken die Daumen über den Leistungen von Politikern, Wirtschaftsführern, Wissenschaftlern – und beeinflussen vom Schreibtisch aus Karrieren und Schicksale. Bilden sie Jagdgemeinschaften, wie etwa in der Causa Christian Wulff, ist man froh, nicht selbst in ihrem Fadenkreuz zu stehen. Journalisten haben Spaß an ihrer Macht. Dass diese nur geborgt ist und sich aus der Reichweite ihrer Medien ableitet, schmälert nicht das Selbstbewusstsein. Ein Hang zur Überheblichkeit ist in der Branche verbreitet. Ich weiß, wovon ich rede. Ich war über 20 Jahre lang Magazinjournalist.

Doch es scheint, als sei die Ära der Hoppla-jetzt-komm-ich-Journalisten abrupt zu Ende gegangen. In der Hoodie-Debatte der letzten Wochen tauchte wiederholt ein Begriff auf, der mir im Kontext meiner früheren journalistischen Tätigkeit niemals untergekommen ist: „Demut“. Journalisten sollten, so forderten Essayisten im Netz, in der ZEIT, in der FAZ, „demütiger“ werden: gegenüber ihren Kollegen – bezogen auf das Verhältnis zwischen Print- und Online-Ressorts – und gegenüber ihren Kunden, der sogenannten Öffentlichkeit.

Wenn Journalisten neuerdings Demut predigen, dann bereichert diese Haltung aus meiner Sicht die Medienkrise um ein weiteres Symptom. Man duckt sich weg, um nirgends anzuecken. Nachvollziehbar, wenn man um seinen Job fürchtet. Einerseits. Andererseits passt Demut schlüssig in das Bild, das der Journalismus zur Zeit an Außenstehende vermittelt: Die Branche selbst arbeitet an ihrem Bedeutungsverlust.

Mit sturem Blick auf die eigene Befindlichkeit wird gedruckt und digital heftig debattiert und um Visionen gerungen. Natürlich ist diese Diskussion um neue Geschäftsmodelle und Medienformate unerlässlich, damit der Journalismus seine Zukunft sichert. Was in den Branchenforen aber ausgeklammert wird, ist die Haltung der Verbraucher. Denen mangelt es nämlich völlig an Bewusstsein für Qualitätsjournalismus. Warum? Weil die Journalisten es versäumt haben, ein öffentliches Bewusstsein für Qualitätsjournalismus aufzubauen. Dabei sollte gerade in Krisenzeiten Eigen-PR ein Gebot der Stunde sein!

Wen interessiert es schon, außerhalb der Medienindustrie wohlgemerkt, dass der Journalismus in seiner gesellschaftlichen Funktion als Kontrollinstanz der Demokratie auf dem Rückzug ist? Wer kann wertschätzen, dass die Herstellung von gutem Journalismus Geld kostet und beispielsweise eine Zeitung folgerichtig einen Preis hat, wie jedes andere Produkt auch? – Die Gratiskultur, die Gleichförmigkeit der Nachrichten (die gleichen Aufmacher auf allen Tageszeitungen und Nachrichtenportalen), das hektische Durchreichen unausgegorener Politiker-Statements – mit all dem trägt der zeitgenössische Journalismus dazu bei, nicht mehr als anspruchsvolles Handwerk wahrgenommen zu werden. Wenn im Kielwasser der medialen Ermittlungen gegen Wulff wegen angeblicher Vorteilsnahme obendrein rauskommt, wie bedenkenlos Journalisten fragwürdige Vorteile in Anspruch nehmen, etwa Presserabatte, ist die Selbstdemontage perfekt. Konsequent markieren daher Journalisten das Ende auf der Wertschätzungsskala für Berufe in Deutschland. Joschka Fischer soll sie schon vor langer Zeit „Fünf-Mark-Nutten“ genannt haben.

Wie konnte es so weit kommen?

Vor dem „Sturmgeschütz der Demokratie“ hat keiner mehr Angst. Wie sich die Machtverhältnisse verschoben haben, wird in den Fernsehnachrichten deutlich, aber beileibe nicht nur dort: Routiniert fertigen Politiker schemenhaft wahrzunehmende Mikrofonhalter (handelt es sich um „demütige“ Journalisten?) mit phonetischen Modulen aus ihren Satzbaukästen ab. Kritische Nachfragen? In der Regel Fehlanzeige.

Der wachsende Druck, der auf den Berichterstattern lastet – immer mehr Schlagzeilen in immer kürzerer Zeit, immer mehr Konkurrenz auf immer mehr Kanälen – spielt den Eliten in die Hand. Sie haben kapiert, wie man Journalisten instrumentalisiert und manche auch als Steigbügelhalter missbraucht, um mit den eigenen Themen ganz groß rauszukommen. Nie war die Macht der Medien fiktiver als heute.

Es ist nicht zu spät, aber höchste Zeit, dass der Journalismus zu seinem früheren Selbstbewusstsein zurückfindet, Krise hin oder her. Und dass er seine eigene Bedeutung genauso selbstbewusst in die breite Öffentlichkeit trägt, als Lobbyist in eigener Sache. Mit Blick auf die Zukunft kann man gewiss über alles streiten. Nur in einem Punkt dürfte Übereinstimmung herrschen: Ohne Geld wird es nicht gehen. Geld, das Medienhäuser ihren angestellten und freien Journalisten für anspruchsvolle Arbeit zahlen. Geld, das Medienkonsumenten auch deshalb gern entrichten, weil sie verstanden haben, dass Journalismus kostet und zugleich einen Wert darstellt – nicht nur ökonomisch, sondern auch für die Gesellschaft. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Naiv? Pathetisch? Mag sein. Aber denkt doch trotzdem mal darüber nach, liebe Journalist(innen). Und tut mir einen Gefallen:

Predigt nie wieder Demut!

Hoodie-Journalisten rudern lachend die Galeeren

Dem Medienredakteur Harald Staun, Jg. 1970, ist in der jüngsten FAS ein veritables Kunststück gelungen. Mit nur 21 Zeilen Text, versteckt in der Gossip-Rubrik „Die lieben Kollegen“ am unteren Rand der Seite 41, verscherzte er es sich mit Deutschlands #Online-Journalisten. Und zwar gründlich.

Keinen interessierte Stefan Niggemeiers langatmige Abrechnung mit dem Live-Ticker-Unwesen auf derselben Seite. Nein, alle echauffierten sich über Stauns erstaunliche Distinktion zwischen „Internetexperten“ und „Journalisten“: Eine sorgsam formulierte Spitze gegen sz.de-Leiter Stefan Plöchinger, der in die Chefredaktion des Print-Organs einziehen soll, was einflussreiche SZ-Redakteure verhindern wollen.

Das Staunsche Kurzpamphlet löste einen Candystorm aus, der Plöchinger tief gerührt haben dürfte. In ausgelassener Sonntagslaune posteten Sympathisanten pausenlos Selfies im Kapuzenpulli, was offenbar Plöchingers bevorzugte Diensttracht ist. Der Hashtag Hoodiejournalismus war geschaffen, und die Solidarisierungswelle ebbte erst abends ab, als im Fernsehen der „Tatort“ anfing.

Aber heute ist wieder Montag. Niemand postet mehr in Wochenendlaune lustige Hoodie-Fotos. Die Onliner sind zurück auf ihren Galeeren, sitzen wieder auf ihren Ruderbänken und blicken neidisch hinauf zu den Sonnendecks, wo die Print-Redakteure Satz für Satz ihre wohlfeilen Kolumnen („Die lieben Kollegen“) ziselieren.

Man sollte die virale Erregung vom Sonntag nicht analytisch übertreiben. Aber ein Resümee sei erlaubt: Dass ausgerechnet ein Fachjournalist für den Mediensektor sich noch immer traut, die Haltung zu vertreten, Online-Journalismus sei was für Leichtmatrosen und richtiger Journalismus was für Print-Kerle – das ist schon erschütternd. Und selbst für ein konservatives Blatt wie die FAS ausgesprochen unzeitgemäß.

Nun hat man aber offenbar in der Online-Szene eingesehen, dass man dem diffusen Dünkel der Print-Oligarchen mit Argumenten nicht beikommen kann. Allen Diskussionen über die unausweichliche Medienkonvergenz zum Trotz, verteidigen trendresistente Print-Redakteure ihren Schützengraben gegen das Kapuzenpulli-Pack. Der letzte Sonntag hat bewiesen: Der Frontverlauf zwischen beiden Lagern ist intakt. Die Positionen sind zementiert. Und dieser Kulturkampf produziert nur Verlierer.

Die Print-Redakteure, die gegen die Onliner wettern, stehen selbst unter Druck und blicken mit Sorge in die Zukunft. Dass Heil und Segen im Online-Journalismus liegen sollen, glauben sie nicht. Die Erlöse sind zu dürftig. Und wenn dort tatsächlich der Journalismus von morgen produziert wird, warum engagieren sich dann nicht heute schon mehr Aushängeschilder der großen Leitmedien in ihren Internetauftritten? Warum beispielsweise schreibt Leyendecker nicht bei sz.de oder di Lorenzo bei ZEIT Online? Oder Kurt Kister bei sz.de? Warum entzweien sich die SPIEGEL-Chefredakteure in der Frage, was wichtiger ist: Print oder Internet?

Verlierer auf beiden Seiten. Die Redaktionsressourcen bleiben ungleich verteilt. Die Onliner werden in Tochtergesellschaften zweiter Klasse ausgegliedert, schlechter bezahlt, mehr gestresst. Die Verlage halten ihre Zukunftsinvestition so knapp, als glaubten sie selbst nicht an den Erfolg. Das schafft Frust. Und hält die Konflikte am Leben. Spaltung statt Einheit. Das kann doch eigentlich niemand in den Verlagen wollen, oder?

Für den FAS-Medienredakteur Harald Staun hat sich der Sonntag gelohnt. Zweistellig wuchs gestern die Zahl seiner neuen Twitter-Follower – die meisten Online-Journalisten.

Es scheint, als könnten sie es gar nicht abwarten, Stauns nächsten Keulenschlag zu empfangen.