Vor allem im Online-Journalismus rollt die Gründerwelle, aber selten ein Rubel. Das Geschäftsmodell: Selbstausbeutung. Wer könnte finanziell helfen? Die Öffentlich-Rechtlichen!
Wer nur über den Niedergang im Journalismus jammert, verstellt sich den Blick auf Tröstliches, nämlich die beharrlich wachsende Zahl der journalistischen Startups in Deutschland, vor allem im Online-Journalismus. Ob Correctiv, Hostwriter, Coda Story, RiffReporter oder demnächst Republik: Immer mehr Journalistinnen und Journalisten wagen bewundernswerterweise den Weg ins freie Unternehmertum – und damit auch die Fahrt in einer finanziellen Geisterbahn.
Denn ungeachtet der Vielfalt an Ideen und Konzepten, in einem sind alle Projekte gleich: Sie stehen vom ersten Moment an mit einem Fuß in der Pleite. Marktübliche Refinanzierung über Werbung und Abos funktioniert mangels Masse nicht. Und überhaupt: Wer betrachtet Journalismus noch als eine veritable Dienstleistung, für deren Inanspruchnahme der Kunde zu zahlen hat?
Betteln auf Crowdfunding-Plattformen
Alle digitalen Bezahlmodelle (Later Pay, Schranke, Freemium etc.) haben die Erwartungen bislang nicht erfüllt. Und die Bettelei auf Crowdfunding-Plattformen und bei wohltätigen Stiftungen ist auch kein Ersatz für ein funktionierendes Geschäftsmodell.
Dass sich Startups überhaupt halten und die Gründerwelle anhält, beruht auf dem schlichten Prinzip freiwilliger und dauerhafter Selbstausbeutung. Als Newcomer, ohne etabliertes Medienunternehmen im Rücken, lässt sich gesellschaftlich relevanter Journalismus nicht refinanzieren. Das kann man sich dann nur als WG-Bewohner(in) ohne Familie leisten.
Alle journalistischen Neugründungen, zumindest die im Internet, werden dauerhaft auf Subventionen angewiesen bleiben. Doch woher soll die Kohle kommen? Meiner Ansicht nach von dort, wo das Geld immer her kommt, wenn es einer wichtigen Branche ökonomisch schlecht geht: von der öffentlichen Hand.
Subventionen für den Journalismus? Warum nicht?
Das Budget der Öffentlich-Rechtlichen ist trotz gegenteiliger Beteuerungen mit zuletzt 8,1 Mrd. Euro Gebühreneinnahmen nach wie vor üppig bemessen. Warum nicht fünf Prozent davon abzweigen, um ein großes Lab für die Förderung journalistischer Start-Ups ins Werk zu setzen?
Die Idee ist nicht neu und wurde schon früher niemals ernsthaft verfolgt, weil Lobbyisten und die Beharrungskräfte im öffentlich-rechtlichen System eine fundierte Diskussion verhindert haben. Aber ein Wiederaufrollen dieser Überlegung lohnt, weil sich das gesellschaftliche Umfeld radikal verändert hat. Journalismus ist Teil des derzeitigen Eliten-Bashings. Zur Disruption ist die Diffamierung hinzugekommen.
Junge Gründer(innen) deuten die Zeichen der Zeit richtig und berücksichtigen in ihren Konzepten die Beteiligung von Leserinnen und Leser. Das fördert das Verständnis für die gesellschaftliche Bedeutung und die Arbeitsweise von Medien. Aber es bleibt purer Idealismus, es sind Strohfeuer, solange es keine wirtschaftliche Sicherung gibt.
Wir brauchen Medienvielfalt dringender denn je
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk bleibt gerade in der aktuellen Situation unverzichtbar. Aber abgesehen von durchaus lobenswerten Nischenprodukten wie Funk und heute plus ist die Innovationskraft des Riesenapparats bescheiden. Fundamental Neues kann offenbar nur außerhalb bestehender Strukturen gedeihen.
Ich als Gebührenzahler jedenfalls habe ein großes Interesse daran, dass am Allgemeinwohl orientierte Medien Zielgruppen erreichen, die sich vom Fernsehen und vom Radio längst schon abgewandt oder qua später Geburt diese niemals zu schätzen gelernt haben. Für die Verteidigung demokratischer Grundwerte kann es gar nicht genug Medien geben.
Dafür gäbe ich von meinen Gebührenbeitrag auch gern mehr als fünf Prozent.