Thomas Rommerskirchen ist Chefredakteur des Szene-Blatts “prmagazin” – und ganz offenkundig kein Freund des Social Web. Im Editorial (“Die ordentliche Zeitung”) zur aktuellen Ausgabe untermauert er seine Haltung mit klaren Worten. “Das Internet” geißelt er als “diabolischen Brandbeschleuniger”, Blogs als die Verwurster “unrecherchierter Geschichten”, die von Journalisten aufgegriffen würden. Und das aus seiner Sicht Schlimmste: Die PR-Branche fällt auf diesem Internet-Schischi auch noch rein. Von den Kommunikationsverantwortlichen würden…
…munter Ponyhof-Selbstdarstellungen von Unternehmen, Institutionen und Politikern mit hunderten von netten Geschichten auf PR-Domains installiert, gepflegt und aktualisiert. Und kein Schwein interessiert sich dafür.”
Nach dieser charmanten Attacke auf die Kompetenz der Zielgruppe seines eigenen Magazins gibt´s gleich noch eine saftige Klatsche für alle internetaffinen Journalisten:
„Journalisten suchen online entweder harte Fakten wie Telefonnummern, Namen, Bilanzen oder – Sauereien.“
So schlicht also ist das Bild, das Rommerskirchen von den beruflichen Fähigkeiten und dem Selbstverständnis der Journalisten hat: Entweder sie betreiben “harte” Recherche, indem sie Telefonnummern googeln. Oder sie nutzen das Internet, um nach “Sauereien” zu suchen.
Dieses Editorial hat mich beschäftigt wie schon lange keines mehr. Ich habe es wiederholt gelesen. Ich habe jeden Satz abgeklopft, ob sich dahinter nicht eine raffinierte Ironie verbirgt oder eine tollkühne Provokation, um die Leser aus der Reserve zu locken, eine typische PR-Masche also. Aber am Ende meiner Analyse steht die bange Befürchtung, Rommerskirchen meint tatsächlich ernst, was er da schreibt.
Dass Social Media immer wieder eine Rolle in seinem Blatt spielt, dass auch in der aktuellen Ausgabe eine fachwissenschaftliche Publikation über die Nutzung sozialer Medien in deutschen Verbänden steht (S.68-75), bremst die Lust des Chefredakteurs am Geisterfahren keinen Deut.
Wir wissen nicht, welche traumatischen Erfahrungen T.R. im Internet sammeln musste, um eine solche Anti-Haltung zu entwickeln. Dass man dem Zeitgeist mal eine lange Nase zeigt, wäre ja sogar mutig gewesen. Aber da Rommerskirchen von den Funktionsweisen des Social Web offenbar keine Ahnung hat, hätte er lieber geschwiegen. Vor Schlimmerem dürfte ihn der Umstand bewahren, dass er das prmagazin im eigenen Verlag herausgibt und deshalb Kündigungsschutz genießt.
Aber Rommerskirchens wütet nicht bloß gegen das Internet. Im Gegensatz dazu baut er ein mediales Gegenbild auf, dem seine Branche bitte wieder mehr Zuwendung schenken soll. Es ist ein unbefleckter Gegenentwurf zu dem giftig blubbernden Digital-Moor, aus dem Kreaturen namens Blog, Forum und Twitter ihre Fratzen erheben – es ist ”die ordentliche Zeitung”:
„Wenn die fröhlichen Eskapaden des Limburger Bischofs Tebartz van Elst nur in Online-Foren, Blogs oder der einen oder anderen Online-Redaktion aufgetaucht wären, hätte der Papst sie sicher erst zur Kenntnis genommen, nachdem eine ordentliche Zeitung sie aufgegriffen hätte.“
Folgt man der Behauptung von Rommerskirchen, dann ist nur eines gewiss: Der Limburger Bischof hätte wohl noch viele Monate prassen können, bevor ihm ein Print-Medium auf die Schliche gekommen wäre. Denn Spiegel Online und Spiegel TV hatten die Story vor allen anderen. Und wann die Geschichte im L’Osservatore Romano aufgetaucht wäre, damit der Papst auf analogem Weg Kunde aus dem fernen Limburg erhält, sei ganz dahin gestellt.
Lieber Herr Rommerskirchen, trotz hochgezogener Augenbrauen freue ich mich schon auf Ihr nächstes Editorial. Bei der Lektüre fühle ich mich mindestens zehn Jahre jünger – zurückversetzt in eine Zeit, als man auch in der Medienbranche noch Ansichten wie die ihre fand.