Es ist gewiss nicht das Ende der Printkrise. Aber neuerdings liefern die großen US-Zeitungshäuser positive Vertriebszahlen, mit denen kaum ein Branchenprophet mehr gerechnet hat. Darauf verwies John Cassidy, Politik- und Wirtschaftsautor, in seinem Blog beim New Yorker (http://www.newyorker.com/news/john-cassidy/good-news-journalism)
So hat die New York Times-Gruppe in ihrem jüngsten Quartalsbericht (30.9.2014) 875.000 Abonnenten für das reine Online-Abo ausgewiesen; ein Zuwachs von 20 Prozent gegenüber dem Stichtag 31.12. 2013. Tatsächlich dürfte die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer des Online-Angebots noch sehr viel größer sein. Denn die meisten Print-Abonnenten wählen die Online-Option gleich mit dazu.
Noch aussagekräftiger sind die Zahlen der Financial Times. Dort wurden 476.000 Digital-Abos gezählt – gegenüber nur noch 217.000 Print-Abos. Dabei sind die Digital-Abos keineswegs billig. Bei der New York Times beispielsweise sind für die Nutzung aller Services 455 Dollar jährlich fällig, bei der Financial Times 467 Dollar.
Einen bemerkenswerten Discount bietet zur Zeit die Washington Post. Um ihre Leserinnen und Leser in die digitale Welt zu locken, gibt es die „Post“ am Bildschirm für schlappe 99 Dollar. Eine Marketingaktion, ganz im Stil des Eigners, Amazon-Gründer Jeff Bezos. Der hatte nach der Übernahme auch gleich scharenweise Internet-Experten in die Redaktion geholt, um die Website der Zeitung auf Vordermann zu bringen.
Die wirklich sensationelle Nachricht aber kommt aus Großbritannien: Dort gelangen der Times und der Sunday Times das erste positive Geschäftsergebnis seit 13 Jahren! Noch vor fünf Jahren wiesen beide einen Verlust von 100 Millionen Dollar aus. Wenig später begann die Times Bezahlmodelle für ihr Online-Angebot einzuführen. Im Online-Abo sieht man auch dort die Zukunft
Wie eingangs erwähnt: Das ist nicht das Ende der Printkrise. Die positiven Geschäftsabschlüsse wurden mit großen Entlassungswellen und Gehaltskürzungen erkauft. Bei Zeitschriften ist überhaupt kein Turnaround in Sicht. Und auch die kleinen, regionalen Tageszeitungen ringen weiterhin um ihre Existenzen – oder haben diesen Kampf längst verloren. Trotzdem zeigen die Zahlen: Die Inhalte der Tageszeitungen finden auch im Digitalzeitalter zahlungsbereite Kundschaft.
Woran liegt das? Ein Grund ist sicher, dass eine große und inhaltlich breit aufgestellte Lokalredaktion Informationen generieren kann, die sich sonst nirgendwo im Netz findet. Zudem haben es die großen Häuser verstanden, sich auf wertschätzende Kommunikation und Interaktion mit ihren Dialoggruppen einzulassen – zu beiderseitigem Nutzen. Und dass die Websites längst topaktuell sind und mit Multimedia Mehrwert bieten, versteht sich von selbst. (Wobei bekanntlich die New York Times im Mai 2014 in ihrem Innovation Report besonders kritisch mit sich selbst abgerechnet hat, was die Internetfähigkeit der Redaktion anlangt. http://mashable.com/2014/05/16/full-new-york-times-innovation-report/)
Zwei Dinge gilt es festzuhalten: Gute journalistische Inhalte finden auch im Internet zahlungsbereite Kundschaft. Dabei spielen technischer Schischi und von journalistischem Innovations-Ehrgeiz getriebene Formate wie “Snowfall” offenbar eine viel geringere Rolle als Journalisten glauben. Es ist die Güte der Information, die zählt. Analog wie digital.
So gesehen macht auch das Investment des fast 95 Jahre alten Spekulanten Warren Buffett Sinn. Der kaufte 2012 auf einen Schlag 63 Tageszeitungen im Süden der USA auf – weil er von der Zukunftsfähigkeit gut arbeitender Lokalredaktionen überzeugt ist. Es wäre nicht das erste Mal, dass Buffett mit glänzenden Erträgen alle widerlegt, die ihm kopfschüttelnd den Totalverlust vorausgesagt haben.