Auf der jüngsten WissensWerte (#ww15) in Bremen wurde mir deutlich: Der Wissenschafts-PR steht ihre große Blüte erst noch bevor. Denn wo sonst, angesichts der immer schmaler werdenden „Nische“ für den Wissenschaftsjournalismus, wird die Wissenschaft in all ihrer Komplexität und Vielfalt künftig noch fundierte Würdigung erfahren – wenn nicht in den PR-Broschüren der großen Forschungsinstitutionen und -förderer?
Zugegeben, die Wissenschaftsjournalisten, die in der PR naturgemäß eine Konkurrenz im Ringen um die Aufmerksamkeit des Publikums sehen, können nach wie vor mit Wettbewerbsvorteilen punkten: Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit, Reichweite. Aber was sind diese Tugenden auf dem heutigen Markt noch wert? Wo nicht nur PR-Strategen mit Journalismus imitierenden Hochglanzmagazinen bei Laien (und Politikern und Drittmittelgebern und, und, und) Eindruck schinden, sondern auch das Internet Interessen in allen vorstellbaren Abstufungen in puncto Informationstiefe bedient? Und zwar kostenlos.
Und als wäre diese Realität nicht furchteinflößend genug, fallen den Wissenschaftsjournalisten die eigenen Chefredakteure und Intendanten verstärkt in den Rücken und kürzen und streichen, was schon zuvor stets auf Kante genäht war: recherche-intensive Wissenschaftsberichte. Zusammen mit dem Sachverstand der ausgegliederten Wissenschaftsjournalisten verlieren die Medien auf diese Weise schleichend ihre Wettbewerbsvorteile gegenüber PR und Blogosphäre: erst die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit, danach die Reichweite.
All dies trifft mit der beschriebenen Wucht gewiss (noch) nicht auf die bundesweiten Leitmedien zu, also ZEIT, FAZ, Süddeutsche Zeitung und stern. In der Provinz aber, bei den vielen, vielen Regionalmedien, kommt Wissenschaftsjournalismus längst kaum mehr vor.
Das ist das Konfliktfeld, von berufeneren Expertinnen und Experten als mir sattsam erforscht und unermüdlich beschrieben. Ein bedrohtes Biotop, in dem Wissenschaftsjournalisten um ihre Daseinsberechtigung kämpfen müssen. Die Frage ist nur: Wie lange werden sie noch durchhalten?
Auf der WissensWerte stellte sich mir die Frage anders: Was muss noch passieren, damit die Wissenschaftsjournalisten auf die Barrikaden gehen? Statt Aufrufe zu solidarischen Protesten gab es in den Pausen, wie immer, gedämpften Smalltalk. Bei der Eröffnung der WissensWerte wurde nur mit einem Halbsatz auf die WPK-Aktion „Keine Nische!“ verwiesen, eine virtuelle Protestnote gegen Programmstreichungen im Wissenschaftsbereich des WDR. So beiläufig der Hinweis, so niedrig der Erregungsgrad im Publikum: Null.
Ein anderes Beispiel: In einer Session, die wohl als exemplarischer Schlagabtausch gedacht war, und in der festangestellte WDR-Redakteure gegen freie WDR-Mitarbeiter antraten, verlor sich der Konflikt um Programmstreichung und miese Bezahlung in argumentativen Irrfahrten durch das kafkaeske Rundfunkgebilde. Das Publikum verfolgte weitgehend emotionslos ein zielloses, im Ton stets artiges Gespräch, bei dem weder Freie noch Feste sich emotional engagiert zeigten oder mit Haltung überzeugen konnten. Atmosphärisch wirkte es auf mich genauso wie ich in diesem Jahr die Stimmung unter den versammelten Wissenschaftsjournalisten wahrgenommen habe: müde, kraftlos, ratlos. Gewiss auch desillusioniert.
Verdeckt dieses unterstellte Phlegma den Blick auf die Zukunftschancen des Wissenschaftsjournalismus? Stehen sich die Gebeutelten selbst im Weg? Während in anderen journalistischen Bereichen gegenwärtig ein Startup nach dem anderen von der Rampe geht, bleiben die Wissenschaftsjournalisten handzahm und risikoscheu.
Nur zwei Gründungsteams, die sich auch auf der WissensWerte präsentierten, haben meines Wissens bislang den Sprung ins Unternehmertum gewagt: Das Science Media Center ist über eine Anschubfinanzierung der Klaus Tschira Stiftung zumindest für drei Jahre finanziell abgesichert. Die Macher von „Substanz“ dagegen, die mit großer Aufmerksamkeit seitens der Branche im Sommer 2014 gestartet und im Herbst 2015 in ein Moratorium gegangen sind, berichteten, was sie als Existenzgründer erlitten, erfreut und gelernt haben, und was sie beim zweiten Anlauf im Frühjahr 2016 besser machen wollen. Allerdings mochten das nur wenige WissensWerte-Besucher hören. Viele Stühle blieben leer.
Nun höre ich im Geiste schon Widerspruch: „Sie haben die falschen Sessions besucht, mit den falschen Leuten geredet.“ „Wo Sie Phlegma unterstellen, brodeln in Wahrheit Aufruhr und Tollkühnheit.“ – Wenn´s tatsächlich so ist, dann ist es ja gut…
Nur dies noch: Die Wissenschafts-PR und die Individualisten in der Blogosphäre haben es begriffen: Gegenwärtig entscheidet sich, welche Akteure auf welche Weise in Zukunft das Bild prägen werden, das sich die sogenannte Öffentlichkeit (die Politiker, die Drittmittelgeber und, und, und) von der Wissenschaft machen.
Es wäre schade, wenn sich der Wissenschaftsjournalismus sang- und klanglos abschaffen ließe. Als PR-Mann sage ich: Er wird auch in Zukunft noch dringend gebraucht.
Vor allem Ihren letzten Satz möchte ich unterstreichen: Nicht nur die PR, die Wissenschaft braucht dringend gute Wissenschaftsjournalisten, die Gesellschaft braucht dringend gute Wissenschaftsjournalisten. Die Wissenschaftsjournalisten müssen aber dafür sorgen, dass man sie auch brauchen kann, dass ihr Berufsstand auch in Zukunft den Namen verdient, den er trägt. Da sehe ich mit den Erfahrungen von der „WissensWerte“ eher die „Götterdämmerung des Wissenschaftsjournalismus“ heraufziehen.