Aktuell: Das Streitgespräch über Wissenschaftskommunikation bei SPON

Warum nur werden manche Wissenschaftler nicht müde, Front zumachen gegen die Wissenschafts-PR der Universitäten und
Forschungseinrichtungen? Vor wenigen Tagen erst stellte ich mir diese Frage hier. Nun hat Spiegel Online drei Vertretern aus der Wissenschaft Gelegenheit gegeben, eine neue Breitseite abzufeuern.

 Ernst Peter Fischer, Holger Wormer und Corinna Lüthje trafen sich zu einem „Streitgespräch“ über den Stand der Dinge in Sachen Wissenschaftskommunikation. Aber Streit gab es kein einziges Mal. Alle waren sich offenbar einig: Die institutionelle Wissenschaftskommunikation hat völlig versagt und für das Ansehen der Wissenschaft nichts geleistet.

Da werden sich die Gescholtenen gewiss wundern. Doch wer auf empirische Beweise für diesen atemraubenden Befund wartet, wird von den Experten enttäuscht. Da kommt nichts. Stattdessen nimmt sich Fischer die armen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ vor und bescheinigt ihnen in zwei Sätzen komplette Inkompetenz:

 Wissenschaft im Dialog” ist reine Geldverschwendung. Es ist offenbar nur dazu da, Leuten eine Arbeitsstelle und eine Pension zu geben, die nichts anderes können, als “Wissenschaft im Dialog” so zu machen, dass niemand davon Kenntnis nimmt.

Als die Interviewer Fischer eine weitere Steilvorlage anbieten, indem sie fragen, ob denn all die Wissenschaftsjahre,
Wissenschaftsstädte und „tausende Veranstaltungen“ gar nichts gebracht hätten, versteht der die Aufforderung richtig und schlägt nochmal zu:

 Die Organisatoren sollten sich schämen. Das Nichtvermitteln von Wissenschaft wurde vom organisierten Nichtvermitteln von Wissenschaft abgelöst. Mehr ist nicht geschehen.

Welches Ziel verfolgt Ernst Peter Fischer mit solchen Pauschalvernichtungen? Hält er tatsächlich den ganzen
Berufsstand der Wissenschafts-PR in Deutschland für überflüssig? Sind dort seiner Ansicht nach nur Scharlatane am Werk? Oder hat ihn die Lust an der kalkulierten Provokation geritten, gleichsam als Strategie für seine eigene PR?

Man muss aber wohl ein gewisses Kalkül unterstellen. Denn Holger Wormer springt Fischer nach dessen impliziter
Aufforderung zur Abschaffung von „Wissenschaft im Dialog“ sofort zur Seite und äußert einen „radikalen Vorschlag“:

Die Gelder, die bisher für “Wissenschaft im Dialog” und andere Initiativen ausgegeben wurden, sollten in eine Stiftung oder einen Fonds fließen, der unabhängigen Wissenschaftsjournalismus fördert.

In den ersten Reaktionen auf das Spiegel Online-Gespräch zeigen sich Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschafts-PR erstaunlich gelassen. Man kenne die Haltung der Teilnehmer und habe ihre Vorwürfe schon (zu) oft gehört und gelesen, heißt es bei Twitter und Facebook.

Ich wünschte, ich könnte ähnlich unbeeindruckt bleiben. Gewiss, es gibt im Wirrwarr dieser Gesprächscollage auch
unbestreitbare Mängelanzeigen, etwa dass es Wissenschaftsthemen nicht ins TV-Hauptprogramm schaffen und z.B. die Redaktion von ARD Aktuell keine/n eigene/n Wissenschaftsredakteur/in beschäftigt. Richtig ist auch, dass die PR-Maschinerie im Wissenschaftsbereich es den Journalisten mitunter schwer macht, Erfolgsmeldungen angemessen einordnen und bewerten zu können.

Aber die wenigen sachlichen Beiträge werden von der Polemik überstrahlt. So weiß Holger Wormer zum Beispiel, dass
Forschungsinstitute Journalisten als die „bösen kritischen“ betrachten würden, „die sowieso immer nur falsch berichten“. Auf welchen Informationen diese Einschätzung basiert, würde mich interessieren. Schließlich gibt es Studien zuhauf, zuletzt die in meinem Blogbeitrag erwähnte, in denen Wissenschaftler aussagen, wie hochzufrieden sie mit den meisten ihrer Pressebegegnungen gewesen sind und dass Journalisten für sie das wichtigste Bindeglied in die Öffentlichkeit seien.

Das Unbehagen an der Wissenschaftskommunikation, das die Gesprächsteilnehmer eint, muss sich wohl aus dem Eindruck speisen, man sehe sich hier keinem Koalitionspartner gegenüber, sondern einer gegnerischen Macht – Wormer nennt sie das „mächtige Wissenschaftsmarketing“ -; eine Macht, die sich längst jeglicher Kontrolle entzogen hat und sich ums Geld, anders als die Wissenschaftler, niemals Sorgen machen muss. Und die nun auch noch antritt, den kritischen Wissenschaftsjournalismus auszubooten und sich mit einem eigenen Programm direkt an die Endnutzer im ganzen Land zu
wenden:

 Die Euphorie der Wissenschaft, künftig alle medialen Kanäle bedienen zu können, ist totaler Humbug. Ich hoffe, dass die Forschungseinrichtungen davon herunterkommen. Sonst wird deren Kommunikation irgendwann so aussehen wie das Privatfernsehen in den USA: Jeder macht seinen eigenen Kanal mit Mikro-Reichweite, natürlich finanziert mit Steuergeldern. Das ist aus ökonomischer Perspektive absoluter Wahnsinn. Und es ist eine Querfinanzierung, die zumindest fragwürdig ist.

Das also soll nach meiner Lesart die Botschaft dieses Gesprächs sein: Die Wissenschafts-PR gehört unter strengere Aufsicht, um der Verschwendung und Irrelevanz Einhalt zu gebieten.

Schade, dass wieder mal die Chance verpasst wurde, nicht nur Pauschalkritik über die Wissenschafts-PR zu äußern,
sondern sie zum offenen Dialog einzuladen. So wie die PR dies an die Adresse der Wissenschaft tut, etwa im Siggener Kreis.

Nichts gegen Streit, Provokation und Vorbehalte. Aber dann doch bitte von Angesicht zu Angesicht. Und im Bewusstsein, dass doch alle eigentlich das gleiche wollen: das Renommee guter Wissenschaft zu mehren.

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