Was nach den Printmedien kommt: Kommt da was?

Westfälische Rundschau dichtgemacht, Frankfurter Rundschau pleite, Financial Times Deutschland ausgelöscht, Münchner Abendzeitung sucht verzweifelt Käufer, die FAZ bilanziert mehr als doppelt so viel Verlust wie 2012 – und McKinsey soll Gruner + Jahr , laut dem Branchenblatt Horizont, zum Verkauf des Stern geraten haben.

Als altgedienter Magazinmann schaut man mit tränenverschwommenem Blick zu, wie dem Printmarkt die Puste ausgeht. Das Gewerbe wird, wie es aussieht, in einer ungewissen Zukunft seinem Siechtum erliegen. Es hat keinen Sinn mehr, nach Verantwortlichen zu suchen. Hört auf, euch gegenseitig Schuld zuzuweisen! Fakt ist: Auch die enthusiastischsten Chefredakteur/innen und Verlagsleiter/innen haben ihr Pulver verschossen. Die Messe ist gesungen.

Aber aufgepasst: Die Medienkrise ist nicht nur ein Branchenproblem! Betroffen sind auch wir Leserinnen und Leser. Denn der Rückzug der Printmedien bedroht unsere Meinungsbildung. Auf der Ebene der Lokal- und Regionalzeitungen herrscht längst schon der mediale Notstand. Was den Medienkritikern beim Stalken der Alpha-Titel in Hamburg, Frankfurt und München entgeht: Nicht alle Menschen, von Vechta bis Ingolstadt, beziehen ihre Grundversorgung an gedruckter Information aus der FAZ, Welt oder Süddeutschen.

Lange, viel zu lange, wurden die Folgen der Printkrise nur anhand der bundesweiten Leitmedien dekliniert. Derweil gingen in den Regionalredaktionen unbeachtet die Lichter aus. In der Provinz wurde getrennt, gepoolt, gekündigt, gestrichen, wurden Umfänge reduziert, Kostenersparnispotenziale noch aus der letzten Ecke hervorgefegt und Meinungsmonopole durch Zukäufe wankender Konkurrenten von Konzernen massiv ausgedehnt.

In der aktuellen Etappe des Sparmarathons sitzen nun oftmals nur noch Nachlassverwalter in den kleinen Redaktionen, die sich mangels Korrespondenten oder Honorare für freie Autoren andere Quellen suchen müssen: Spiegel Online, zum Beispiel. Aufmacher aus aller Welt, die dort die Plätze eins bis drei belegen, dominieren anderntags die Seite eins der kleinen Blätter.

Vom galoppierenden Verfall der Sitten profitieren Anzeigenkunden, die über mühsam verbrämte „Kooperationen“ die redaktionellen Seiten infiltrieren. Pressemitteilungen werden unverändert in einem Ausmaß gedruckt, dass es sogar mir bekannten Pressesprechern nicht mehr geheuer ist. Und so stellt sich die Frage: Wollen wir Leserinnen und Leser das?

Je stärker nun auch die Leitmedien in den Abwärtsstrudel geraten, desto offensichtlicher werden die Verwundungen, die die Krise der einst festgefügten Zeitungen- und Zeitschriftenwelt bereits zugefügt hat. Auch die sogenannten Qualitätsmedien bieten vermehrt Anlass zum Mäkeln. Wie aber sehen derzeit die Alternativen aus? Wer sonst – mit Ausnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens – verfügt noch über ein Netz von Journalisten, die vor Ort und im persönlichen Gespräch Hintergrundinformationen recherchieren? Wo sind die profund gebildeten und journalistisch versierten Expertinnen und Experten, die treuhänderisch – nicht bevormundend! – für uns filtern, was Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur täglich in die Öffentlichkeit lancieren möchten?

Old School-Denke? Nein, Realismus!

Verschont mich mit Buzzwords wie Partizipation, Interaktion, Bürgerjournalismus und Storytelling! Und nennt mir nicht „Krautreporter“ als Synonym für die digitale Rettung des Qualitätsjournalismus! Wer jemals, wie ich, Teil einer Magazin-Vollredaktion gewesen ist, eingebettet in einen international agierenden Verlag, dem fallen viele Gründe ein, warum Krautreporter zwar ein lobens- und lohnenswertes Projekt ist – ich bin selbst Unterstützer! -, aber in puncto Informationstiefe und -vielfalt gewiss kein Gegenmodell zu auch nur einem der gedruckten Leitmedien.

Das ist es, was mich melancholisch stimmt: Dass die Printmedien von der Bühne abtreten, ohne dass überzeugende Nachfolger im Rampenlicht auftauchen.

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